Nordkaptour mit dem VW-Polo
1989
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Vorbereitung:
Für das Jahr 1989 haben mein Freund
Tim und ich geplant mit dem
Auto in den hohen Norden Europas, ans Nordkap zu fahren. Tim war bereits
voriges Jahr mit zwei Freunden in Südschweden, ich war vor ein paar
Jahren mit meinen Eltern im südlichen Mittelschweden.
Als Auto stand uns mein elf Jahre alter VW-Polo zur Verfügung. Damals
war ein elf Jahre altes Auto eigentlich schon ziemlich alt, viele Freunde
hegten leichten Zweifel ob wir mit der alten Kiste unsere Reise wagen sollten.
Naja, zur Sicherheit bekam ich von meinen Eltern einen ADAC-Euroschutzbrief
geschenkt, obwohl ich das eigentlich "Spießerkram" fand.
Da damals auch in Schweden die Lebensmittel noch sauteuer waren, haben
wir in Hamburg den halben Aldi-Markt leergekauft.
Samstag, 17.6.1989:
Die Rückbank des VW-Polo wird komplett ausgebaut, damit wir unseren
ganzen Krempel mitnehmen können. Dann werden Kisten mit Lebensmitteln,
Getränken und unser Zeug im Wagen verstaut. Wir dachten eigentlich,
daß wir genug Platz im Wagen hätten, aber irgendwie wird er
doch ganz schön voll. Naja,
es passt dann doch alles hinein.
Wir planen die Vogelfluglinie zu benutzen, also erst mit der Fähre
Puttgarden-Rödby über den großen Belt zu schippern, dann
Dänemark zu durchqueren um dann mit einer weiteren Fähre von
Helsingör nach Helsingborg in Schweden überzusetzen.
Wir hatten die Fährfahrt Sonntag morgens um ein Uhr ab Puttgarden
gebucht. Die Freitags- und Samstagsüberfahrten waren deutlich teurer,
und die 50 Mark Mehrkosten konnten bzw. wollten wir uns damals noch nicht
leisten. Gegen 22:30 Uhr fahren wir voller Vorfreude los.
Sonntag, 18.6.1989:
Nun wird es doch etwas knapp mit der Fähre, wir kommen erst gegen
00:30 in Puttgarden an, weil wir noch einen Tankstopp eingelegt hatten.
Wir wollen unseren Tank mit dem günstigen deutschen Sprit nocheinmal
volltanken, bevor wir in das teure Skandinavien fahren.
00:30 Uhr reicht aber völlig, wir fahren auf die Fähre. Ich stelle
fest, daß zumindest auf der Fähre kein Auto ist, das so schrottig
wie unsere ist (naja, ganz so schlimm ist es auch wieder nicht). Wir gehen
auf Deck, am klaren Himmel glitzern die Sterne. Es ist genau 01:00 Uhr
Sommerzeit also ist jetzt der Tiefststand der Sonne erreicht. Wenn ich
nach Norden schaue kann ich aber sehen, daß der Himmel dort noch
bzw. schon etwas heller ist. Ich bin überrascht, daß selbst
hier in Deutschland mehr oder weniger zur Sonnenwende die Abenddämmerung
in die Morgendämmerung übergeht. Ich bin beeindruckt, tim weniger.
Wir wollen auf der Fähre ein Stündchen schlafen, da wir ja noch
ein ganzes Stück fahren wollen. Das gelingt uns natürlich nicht.
Als ich in Dänemark von der Fähre fahre, dauert es nicht lange
und Tim schläft ein. Das stört mich aber nicht, ich bin so aufgeregt
und freue mich so über den bevorstehenden Urlaub, daß ich überhaupt
nicht müde bin. Morgens gegen 5 Uhr kommen wir in Helsingör an.
Die Sonne geht gerade auf. Leider müssen wir fast eine Stunde auf
die nächste Fähre warten die uns nach Helsingborg bringt.
Die Überfahrt dauert nicht lange, die Zollformalitäten auch nicht.
In Helsingborg tanken wir, dann geht es auf der E4 nach Norden. Der Sprit
ist übrigens nicht ganz so teuer wie wir befürchtet hatten, eigentlich
nur 15 Pfennige teurer als in Deutschland. Nach wenigen Kilometern landen
wir im dicksten Nebel, den ich je erlebt habe. Wir können tw. höchstens
40 km/h fahren und das ist eigentlich auch noch zu schnell.
Tim schläft bald wieder ein, ich verspüre nicht den Ansatz on
Müdigkeit. Ab und zu wacht er auf und quengelt, daß wir jetzt
anhalten wollen, unsere Mückennetze aufspannen und eine Schlafpause
machen. Ich sage "jaja" und fahre weiter. Irgendwann wird er
aber so massiv, daß ich doch in irgendeinen Waldweg einbiege. Wir
legen unsere Isomatten auf den Waldboden, spannen unsere Mückennetze
auf und wollen nun schlafen. Da wir aber die billigsten Mückennetze
gekauft hatten und diese ziemlich grobmaschig sind können so komische
Kleinfliegen hindurchkrabbeln und die pieken auch. An Schlaf ist nicht
zu denken, nach einer halben Stunde brechen wir wieder auf.
An einem Rastplatz machen wir Frühstück, dann fährt Tim.
Wir wollen heute noch eine Stelle erreichen die Tim von seiner Reise voriges
Jahr noch kennt, eine Lichtung im Wald, ein See ist ganz in der Nähe.
Irgendwo
fahren wir nochmal in einen Waldweg, hängen unseren Wasserkanister
auf und waschen uns etwas und putzen die Zähne. Als wir dann
wieterfahren bin ich plötzlich so müde, daß ich stundenlang
auf dem Beifahrersitz schlafe. Als ich aufwache fahren wir gerade auf einer
wunderschönen Straße am Ufer des Sommensees entlang. Wir sind
nicht mehr weit von der Stelle entfernt die wir erreichen wollen.
Plötzlich biegt Tim in einen Waldweg hinein. Der Weg endet nach ca.
200 Metern auf einer Lichtung. An der Lichtung fließt ein kleines
Bächlein. Wenn man an dem Bächlein bachaufwärts ca. 100
Meter entlangspaziert kommt man an einen mittelgroßen See. Man hat
einen wunderschönen Ausblick auf den See, im Vordergrund sind zwei
kleine Inselchen zu sehen, die man schwinmmend erreichen kann. Das Ufer
allerdings ist hier sehr felsig, im Wasser liegen alte Baumstämme
mit abstehenden Ästen. Man muß beim Baden im See schon etwas
vorsichtig sein.
Wir bauen unser Zelt auf, da die Idee mit den Mückennetzen ja wohl
doch nicht die tollste war. Unser Zelt ist ein einwandiges Firstzelt billigster
Art aus dem Kaufhaus welches wir gebraucht von Tims Bruder abgekauft haben.
Wir kochen uns noch ein Dosengericht auf Tims Trangia-Spirituskocher, strolchen
noch etwas umher, dann gehen wir ins Zelt schlafen. Für mich ist dies
(außer bei er Bundeswehr) das erste mal Zelten.
Montag, 19.6.1989:
Wir wachen ziemlich früh auf, die Zeltwände sind von innen
durch Kondenswasser klitschnaß. Wir waschen uns im See und frühstücken.
Heute wollen wir ein gutes Stück Richtung Norden fahren. Ich will
unbedingt tausend Kilometer schaffen, Tim ist das nicht ganz so wichtig.
Gegen elf Uhr kommen wir endlich los, ich mußte am Schluß noch
einie ganze Zeit auf Tim warten was mich ziemlich nervös gemacht hat.
In Boxholm (was die nächstgelegene Kleinstadt ist) füllen wir
auf einer öffentlichten Toilette unsere Wasserreserven wieder auf.
Dann geht´s Richtung Örebro, bei Mora wollen wir den Inlandsvägen
erreichen. Bei "Du und Deine Welt" (Messe) ist mir eine Prospekt
über diese Route in die Finger gekommen und jetzt wollen wir dort
fahren. Außerdem ist der Weg kürzer als die E4 und schon sowieso
deutlich kürzer als die E6 durch Norwegen. Die E6 wollen wir uns für
den Rückweg aufheben; wir wollen möglichst schnell hochfahren,
damit wir uns auf dem Rückweg Zeit lassen können.
Bei Örebro verfransen wir uns ersteinmal, finden dann aber doch bald
den Weg wieder. Dann fahren und fahren wir bei bestem Wetter in Richtung
Norden. Ab ca. 21 Uhr wird das Fahren immer unangenehmer: Die Sonne steht
flach über dem Horizont und scheint einem hell ins Gesicht. Es ist
immer sehr angenehm wenn die Sonne mal kurz hinter irgendwelchen Bäumen
verschwindet, aber das ist nur selten und kurz der Fall. Abends fahren
wir durch Östersund, der letzten größeren Stadt Richtung
Norden. Gegen 23:30 Uhr geht die Sonne dann endlich unter, man kann wieder
sehen.
Dienstag, 20.6.1989:
Es ist ein Uhr morgens und immer noch hell. Wir
überqueren auf einer Brücke den Ströms-Vattudal und genießen
einen wunderschönen Ausblick in die Dämmerung,von der wir nicht
sagen können, ob sie die Morgendämmerung oder die Abenddämmerung
ist. Danach fahre ich weiter, Tim schläft wieder auf dem Beifahrersitz.
Ich habe mir fest vorgenommen noch die tausend Kilometer vollzumachen und
es fehlen uns noch einige Kilometerchen. Auch ich kämpfe mit dem Schlaf
und fahre immer schneller. Endlich morgens um drei kurz vor Vilhelmina
haben wir die tausend Kilometer endlich geschafft. Wir bauen unser Zelt
an einer ziemlich unattraktiven Stelle auf und schlafen schnell ein.
Am
späten Vormittag irgendwann wachen wir auf. Wir frühstücken
Müsli mit H-Milch, da wir leider keine Frischmilch mehr haben. Die
Tüte mit verschiedenen Dauerwürsten, die wir auf dem Hamburger
Fischmarkt gekauft haben guckt uns irgendwie nicht so lecker an, die Würste
sind doch irgendwie gecht fettig und stinken. Wir bewahren sie für
Später auf... Das Zelt ist dann auch bald abgebaut und schon geht´s
wieder ins Auto, die Fahrt nach Norden wird fortgesetzt. Das Wetter ist
immer noch schön und es ist recht warm. Mein Polo meistert die Strecke
bislang ohne Probleme. Wir hören Musik und genießen die Landschaft.
Wir fahren nach Vilhelmina durch Dorotea und amüsieren uns über
die Frauennamen die die Dörfer hier bekommen haben. Ulrika ist auch
nicht weit entfernt. Plötzlich
sehen wir unsere ersten Rentiere, natürlich machen wir Fotos. Bei
Jokkmok erreichen wir den Polarkreis. Wir halten auf einem Parkplatz und
machen Fotos neben einem komischen Schild, irgendwie kommt uns das komisch
vor, hier stehen zwar Informationen zum Polarkreis drauf, aber wo genau
hier der Polarkreis ist, bleibt im dunkeln. Naja, irgendwann steigen wir
wieder ins Auto und fahren weiter. Nach gut hundert Metern ist ein blaues
Straßenschild daß den Polarkreis markiert am Straßenrand.
So haben wir uns den Polarkreis vorgestellt! Wir halten also wieder und
machen nocheinmal Fotos. Die Stelle vorher war wohl nur der Parkplatz mit
Touristenhotel oder sonstwas. Auf dem Polarkreisschild haben viele Leute irgendwelche Aufkleber draufgeklebt.
Wir haben nur ein Stück altes Isolierband, wo wir unsere Namen draufschreiben.
Dann verewigen wir uns auch auf dem Schild.
Gegen Abend überqueren wir die finnisch-schwedische Grenze von Karesuando
nach Kaaresuvanto. Dort wollen wir die gestrichelte Straße die auf
unserer Karte eingezeichnet ist nach Kautokeino fahren. Wir gehen davon
aus, daß die Straße wohl nicht asphaltiert sein wird. Wir finden
allerdings trotz Fragens die Abzweigung nicht. Nur ein Zeichen für
einen Wanderweg führt nach Kautokeino. Offensichtlich gibt es auch
nichts anderes. Wir sind etwas erstaunt, daß auf unserem Shell-Straßenatlas
ein Wanderweg eingezeichnet ist. Uns bleibt nun ja wohl nichts übrig,
außer den Umweg über Palojoensuu in Kauf zu nehmen. Wir fahren
noch einige Kilometer, dann suchen wir uns eine Stelle unweit eines Gewässers
wo wir unser Zelt aufschlagen.
Mittwoch, 21.6.1989:
Heute wollen wir das Nordkap erreichen. Es ist aber noch eine ganze
Ecke die wir zurücklegen müssen. Da mal wieder eine Körperwäsche
fällig ist, wollen wir uns am nahen Gewässer waschen. Leider
sind die Mücken derart penetrant, daß ich ziemlich schnell aufgebe,
Tim hält etwas länger durch.
Wir fahren los. Auf einem Parkplatz wollen wir frühstücken. Wir
holen wieder die Tüte mit den Dauerwürsten vom Hamburger Fischmarkt
heraus, doch nun sind plötzlich kleine Krabbelviecher in und auf der
Wurst. Bäh! Wir schmeißen das ekelhafte Paket dann doch lieber
weg.
Bald überqueren wir die Grenze nach Norwegen. Kurz hinter Olderfjord
weichen endlich die letzten Bäume. Ich dachte eigentlich, daß
die Bewaldung schon viel weiter südlich aufhören würde.
Bei der Abzweigung nach Repvåg machen wir eine kleine Kochpause und
bereiten uns mit Tims Trangia-Kocher ein Essen zu. Es ist verdammt kalt
(das Essen auch nach kurzer Zeit...), ein scharfer Wind weht.
Als wir fertig sind will ich unsere Teller mit einer Abwaschbürste
im Meer abspülen, was eine schlechte Idee ist: Das Wasser ist natürlich
so kalt, daß sich die Reste von Fett auf udem Teller und natürlich
auch die die in der Bürste hängen sofort widerspenstig verfestigen.
Gegen
Abend kommen wir in Kåfjord an, dort fährt die Fähre nach
Honningsvåg auf der Insel Magerøya, der Nordkapinsel ab. Da
wir uns die teuere Fährfahrt für das Auto sparen wollen und sowieso
mal ein wenig zu Fuß gehen wollen stellen wir unser Auto auf den
Parkplatz und packen unsere Rucksäcke. Bei mir geht das ziemlich schnell,
ich werfe meine Utensilien einfach in meinen alten Bundeswehrrucksack hinein.
Tim braucht etwas länger. Er hat Bücher über die Theorie
des optimalen Packens eines Rucksacks gelesen und versucht nun seinen Rucksack
entsprechend einzurichten. Er packt ein und wieder aus und anders ein und
anders wieder aus. So vergeht fast eine Stunde bis er endlich seinen Rucksack
gepackt hat. Naja, die Fähre fährt sowieso wenn sie fährt,
aber irgendwie hat mich Tims Langsamkeit ganz kribbelig gemacht.
Gegen 22 Uhr kommen wir auf Magerøya an, wir haben nun noch ca.
35 Kilometer Fußmarsch vor uns. Das Wetter verheißt nicht unbedingt
Gutes, sonnige Abschnitte wechseln sich mit schwarzen Wolken ab.
Am Anfang kommen wir gut voran, auch wenn Tim nocheinmal seinen Rucksack
umpacken muß weil irgendetwas drückt.
Die einzige Karte die wir haben, ist eine Straßenkarte von ganz Skandinavien,
da sind die 35 Kilometer auf ungefähr 6 Zentimeter verkleinert. Allerdings
wandern wir ja auch die Straße entlang und werden uns wohl nicht
verlaufen. Wir freuen uns über die Schneereste und laben unseren Durst
an den zahlreich fließenden Quellbächen. Da es nachts ja nicht
dunkel wird sind wir motiviert durchzulaufen und das Nordkap irgendwann
morgens zu erreichen.
Die Abzweigung nach Skarsvåg markiert ungefähr die Hälfte
der zurückzulegenden Strecke, hier machen wir eine Ausruhpause und
hier fängt es dann auch entgültig an zu regnen. Aus nicht nachvollziehbaren
Gründen haben wir als Regenschutz die Bundeswehr-ABC-Schutzponchos
dabei, die wir auch überziehen. Diese Dinger sind als Regenschutz
absolut nicht zu gebrauchen, mit einem Regenschirm wären wir weniger
naß geworden! Wir laufen und laufen, unsere Bewegungen sind rein
mechanisch, aber wir sind guter Dinge, den Weg zum Nordkap noch zu schaffen.
Unsere Blicke sind starr auf den Boden gerichtet, für mehr reicht
unsere Kraft und unsere Motivation nicht mehr aus. Viel mehr könnte
man sowieso nicht sehen, außer dem Regen herrscht auch starker
Nebel. Laut unserer Karte zweigt ungefähr fünf Kilometer vor
dem Kap nach links eine gestrichelte Linie ab, für uns ein letzter
Markierungspunkt der uns zeigt daß wir eben noch ungefähr fünf
Kilometer zu laufen haben. [Es handelte sich übrigens um den Wanderweg
zum Kap Kinivskjelodden, aber das wußten wir damals nicht.] Irgendwie
kommt nach links keine Straße oder kein Weg mehr. Wir sind der Meinung,
daß wir eigentlich schon längst dran vorbei sein müßten.
Wir haben den Weg wohl übersehen, aber das ist ja auchnicht so schlimm.
Wir müssen eigentlich jeden Moment am Nordkap ankomen, nur unsere
geringe Entfernung zum Ziel hält uns noch auf den Beinen.
Plötzlich sehen wir links einen Weg der durch eine Schranke versperrt
ist. Das muß der gesuchte Weg sein, dann haben wir ja noch fünf
Kilometer zu laufen! Das schaffen wir nicht mehr. Wir sind enttäuscht
so schlecht vorangekommen zu sein, unsere Motivation ist auf dem Nullpunkt
angekommen. Wir nehmen unser Zelt und bauen es direkt neben der Straße
auf. Dann schälen wir uns aus unseren nassen Klamotten und fallen
sofort in den Schlaf. Es ist 5:30 Uhr morgens.
Donnerstag, 22.6.1989:
Im Dämmerzustand des Schlafs hören wir, daß uns einige
Autos im vorbeifahren anhupen. Wir werten das als Gruß. Der Regen
prasselt die ganze Zeit auf unser einwandiges Zelt. Gegen 14 Uhr wachen
wir auf und wollen nun zum Nordkap. Tim meint, daß es sich irgendwie
so anhört, als ob alle Autos, kurz nachdem sie an uns vorbeigefahren
sind anhalten. Wir ziehen unsere ekligen nassen Klamotten an und steigen
aus dem Zelt. Es regnet noch immer, aber der Nebel ist weg. Und was sehen
wir ca. 300 Meter von uns entfernt? Das Nordkap! Das kann nicht angehen,
der Weg den wir gesehen haben war wohl doch ein anderer. Die paar Meter
hätten wir ganz gewiß noch geschafft! Aber irgendwie auch komisch.
Wir packen im Regen unser Zelt zusammen und siehe da, es hört zu regnen
auf, wenngleich das Wetter immer noch grau und trübe ist.
Nun gehen wir frohgemut zum Nordkap wenngleich unsere Füße von
dem Gewaltmarsch noch ziemlich schmerzen und wir recht lahm auf den Beinen
sind.
Vor dem Nordkapparkplatz ist eine Kassenstelle wo von den Autofahrern Geld
kassiert wird. Wir freuen uns, daß wir kein Auto dabeihaben und wir
somit wohl auch keine Parkplatzgebühr bezahlen müssen. Als wir
aber um dieses Häuschen großräumig herumgehen wollen ertönt
eine Hupe sowie irgendwelches norwegische Gequäke aus einem Megaphon.
Die Frau im Kassenhäuschen guckt uns an und gestikuliert wild herum.
Notgedrungen gehen wir zu ihr, wir sollen jeder einen Obulus in Höhe
von umgerechnet ca. 30.- DM Eintritt bezahlen. Wir sind ziemlich enttäuscht
über diese Wegelagerei. Weil wir in unseren nassen Klamotten so bemitleidenswert
aussehen und zu Fuß gekommen sind, dürfen wir aber zum Kinderpreis
(ca. 8,- DM) das Nordkap besichtigen. Naja, immerhin.
Wir gehen nach vorne zum eigentlichen Kap und machen Fotos. Die Flasche
Jim-Beam, die wir extra mitgeschleppt haben, wird nun geöffnet und
wir nehmen jeder einen Schluck von diesem ekligen Zeugs. Daß öfentliches
Alkoholtrinken in Norwegen verboten ist wissen wir nicht, aber es stört
sich auch niemand an diesem kleinen Schlückchen. Dann irren wir noch
ein wenig planlos durch den Touristentempel und schreiben ein paar Postkarten.
Da wir völlig geschafft sind, haben wir eigentlich keine Lust die
35 Kilometer nach Honningsvåg zu Fuß zurückzugehen und
erkundigen uns nach einer Busverbindung. Die gibt es auch. Umgerechnet
ca. 6,- DM müssen wir jeder bezahlen. Der Bus fährt ungefähr
ein Dreiviertelstunde, uns wird nocheinmal richtig bewußt, wie weit
wir gestern am Stück gelaufen sind.
Zurück
am Auto muß dieses erst einmal neu sortiert und neu gepackt werden.
Es entsteht ein ganz schönes Chaos um uns herum. Irgendwann ist aber
alles verstaut und es geht weiter. Wir wollen nun nach Hammerfest, wo eventuell
postlagernde Post auf uns wartet. Es fängt wieder an zu regnen. Wir
verpassen eine Abzweigung und merken erst mitten auf dem Sennalandetfjell
daß wir falsch sind. Dann finden wir aber doch den richtigen Weg.
Hammerfest liegt auch auf einer Insel, diese ist durch eine Brücke
mit dem Festland verbunden. Natürlich gibt es eine Mautstelle und
wir müssen "Eitritt" bezahlen. Dafür bekommen wir dann
auch einen Prospekt von Hammerfest. Wir fahren zur Post, tatsächlich,
wir bekommen ein paar Briefe von unseren Freunden zu Hause. Dann
fahren wir noch ein Stückchen hinter Hammerfest und suchen nach einem
Platz zum Zelten. Wir finden dort auch einen wunderschönen Platz in
reizvoller Umgebung. Da wir nicht wieder direkt an der Straße zelten
wollen schleppen wir unseren Krempel ein ganzes Stück durch das übersichtliche
Gelände um hinter einer kleinen Bodenerhebung zu zelten. So kann man
uns von der Straße nicht sehen. Wir kochen uns auf Tims Trangia-Kocher
ein Dosengericht, dann gehen wir schlafen. Wir wollten eigentlich noch
einen gemütlichen Schluck aus der Jim-Beam-Buddelnehmen, doch irgendwie
begeistert uns beide das Zeugs nicht so sehr.
Freitag, 23.6.1989:
Nach dem Aufwachen erkundigen wir ersteinmal die nähere Umgebung.
Es gibt hier keinerlei Bäume, dafür ist in entfernterer Sichtweite
eine Müllkippe. Diese ist aber noch weit genug entfernt um das schöne
Gesamtbild dieser Stelle nicht zu trüben. Es gibt noch einige kleinere
Schneefelder. Aus einem fließt ein Bach hervor. Ideal für die
Körperpflege, wenn auch ein bischen kalt. Zum
Glück gibt es hier (wohl aufgrund der Kälte) keine störenden
Mücken.
Wir nutzen die Gelegenheit uns einer intensiveren Körperpflege zu
unterziehen. Sogar die Haare waschen wir in dem eiskalten Bächlein.
Es zieht uns den Skalp fast vom Kopf.
Nun geht es wieder zurück nach Hammerfest. Da wir eigentlich auch
nicht wissen, was wir hier wollen (außer eben hier gewesen zu sein)
geht´s zurück zum Festland. Wir wollen nun eigentlich langsam
der E6 nach Süden folgen. Leider beginnt es bald wieder zu regnen.
Es will einfach nicht aufhören. Wir fahren durch die ansonsten recht
reizvolle Landschaft, können diese aber aufgrund des Sauwetters nicht
genießen. Irgendwo an einer Nebenstraße bauen wir dann frustriert
das Zelt im Regen auf.
Tim muß unbedingt noch die Ponchos zum besseren Regenschutz über
unser Zelt spannen, mir geht das Gebastel ein wenig auf den Nerv, so daß
ich micht lieber schon in das Zelt lege. Heute kochen wir im Zelt und freuen
uns, daß wir dies schaffen, ohne das Zelt abzufackeln. Nachts hört
der Regen erstaunlicherweise wieder auf und die Sonne kommt raus.
Samstag, 24.6.1989:
Da der Regen ja des Nachts aufgehört hat wersuchen wir unsere
mittlerweile klammen Sachen auf Ästen zu trocknen.
Plötzlich kommen zwei frei umherlaufende Pferde aus dem Gebüsch,
ein schwarzes und ein hellbraunes. Mein Auto sieht mittlerweile aus wi
Sau, aber eigentlich bin ich stolz auf den Dreck der aus unserer langen
Reise resultiert, die wohl nicht viele Leute mit so einer alten Karre wagen
würden.
Wir packen unsere Sachen zusammen und fahren weiter die E6 hinunter. Das
Wetter ist mäßig, aber trocken. Am Abend suchen wir nach einem
unauffälligen Platz wo wir zelten können. Das ist aber im dicht
besiedelten Norwegen garnicht so leicht. Wir fahren einen Weg hinein, der
aber auf einer Wiese endet. Gerade als wir wenden wollen kommen aus einem
nahe gelegenen Haus ein paar angeheiterte Jugendliche mit Flaschen selbstgebrannten
Fusels aus dem Haus. Sie fordern uns auf mitzufeiern. Wir nehmen unseren
Jim-Beam mit, doch auch unsere neuen Bekannten sind mit Alkoholika gut
ausgestattet. Alles selbstgebranntes Zeugs. Wir müssen alles mal probieren,
es schmeckt nicht, aber es macht betrunken. Bald befinden wir uns auf der
Dorfdisco wo auch viele Leute in unserem Alter sind. Eigentlich eine ganz
normale Feier, nur die Leute mit denen wir gekommen sind (und wir) fallen
durch unseren Alkoholspiegel auf. Wir kaufen dort noch Bier, in Ermangelung
eines Flaschenöffners hole ich mein Taschenmesser heraus, um den Kronkorken
zu entfernen. Mein Gegenüber bedeutet mir, das Messer schnell
verschwinden zu lassen, es wird hier wohl als Wafe angesehen. Naja, so
muß die Tischkante dran glauben.
Irgendwie saufen wir so viel wie noch nie zuvor in unserem Leben, irgendwie
kommen wir aber auch wieder zu unserem Auto zurück. Irgendwie bauen
wir dann auch noch das Zelt auf der Wiese auf. Es kracht nachts zwar einmal
über uns zusammen, aber als wir am nächsten Tag aufwachen, sind
wir schon nicht mehr ganz so betrunken.
Sonntag, 25.6.1989:
Unsere neuen Kumpels laden uns dann noch auf einen Kaffee in Ihr Haus
ein, dann machen wir uns aber auch bald von dannen.
Da uns der Alkohol noch in den Knochen steckt, machen wir bald eine längere
Rast und kochen uns eine warme Mahlzeit. Dann schlafen wir uns den restlichen
Alkohol aus dem Körper. Es ist so warm, daß wir einfach so auf
einer Wolldecke liegen können und nicht frieren.
Als ich danach nochmal in den Wald gehe, um Flüssigkeit zu entsorgen,
entdecke ich, daß hier mitten im Wald Straßenlaternen aufgestellt
sind, obwohl hier nicht ansatzweise ein Weg zu erkennen ist. Ich kann mir
keinen Reim drauf machen. Viele Reisen später wird mir klar, daß
dies wohl eine im Winter ausgeleuchtete Schneeskooterspur war.
Wir fahren dann noch bis kurz hinter Narvik, dort bauen wir unser Zelt
an einem wunderschön gelegenen Fjord auf. Wir kochen uns noch Nasi-Goreng
aus der Konservendose, dann schlafen wir.
Montag, 26.6.1989:
Nachts beginnt es zu regnen. Am Morgen müssen wir noch ein paar
Kilometer zurück ins vorige Dorf fahren um Geld vom Postsparbuch abzuheben.
Wir haben kein Geld mehr, die Straße E6 ist aber gleich durch eine
Fähre unterbrochen die wir bezahlen müssen.
Wir kommen an der Post an, diese hat ohne erkennbaren Grund zu. Also fahren
wir zurück nach Narvik, um dort bei der Post Geld abzuheben. Es gießt
die ganze Zeit in Strömen und wir haben keinen Bock mehr auf Norwegen.
In Schweden war das Wetter immer schön. Es wird kein Geld mehr vom
Postsparbuch abgehoben. Wir wollen nun über das Bjørnfjell
nach Schweden fahren. Wir reden uns gut zu, daß es in Schweden bestimmt
nicht regnet. Unglaublich, einen Kilometer vor der Grenze hört der
Regen auf, an der Grenze ist die Straße trocken, der Himmel ist blau
und die Sonne scheint. So haben wir uns das vorgestellt. Der Blick zurück
zeigt dicke Wolken, der Blick nach vorne nur das beste Wetter!
Wir fahren durch wunderschöne Landschaft, zu unseren rechten ist die
Bahnlinie der Erzbahn, die Erz von Kiruna nach Narvik bringt. Außerdem
bringt sie auch Touristen die hier wandern wollen.
Wir fahren noch weiter nach Kiruna und wollen morgen nach Nikkualokta fahren
um von dort aus auch eine Wanderung zum Kebnekajse-Massiv zu starten. Ungefähr
auf der Hälfte zwischen Kiruna und Nikkualokta bauen wir unser Zelt
auf um zu übernachten.
Dienstag, 27.6.1989:
Wir wollen die Rucksäcke schon hier an unserem Übernachtungsplatz
fertig packen. Ich bin wieder sehr schnell fertig. während Tim bald
eine Stunde braucht. Ich koche innerlich, zwinge mich aber ruhig zu bleiben
und gehe spazieren. Irgendwann ist dann auch Tim fertig und wir fahren
nach Nikkualokta, stellen unser Auto auf einen Parkplatz, und folgen dem
erstbesten Wegweiser Richtung Kebnekajse.
Ein paarmal müssen wir kleinere Flußläufe überqueren
über die wir aber leicht hinüberspringen können.
Bald kommen wir an einen größeren Fluß. Wir überlegen
gerade, wie wir ihn am besten überqueren, da kommen zwei Mädels
aus dem Wald, ziehen ihre Schuhe aus und gehen auf die andere Seite. Na
so tief sieht er ja auch nicht aus, so gehen wir hinüber.
Einige Kilometer später führt der Weg wieder durch ein Gewässer.
Auf der linken Seite ist ein Bach, auf der rechten Seite ist das Gewässer
breiter. Ich kann mit Mühe hinüberspringen und muß mich
dann durch ein Gestrüpp quälen. Tim sucht noch nach einer besseren
Überquerungsmöglichkeit. Aufeinmal lacht er und geht nach rechts.
Rechts ist nicht etwa der Bach breiter, es handelt sich vielmehr um einen
kleinen Teich aus dem der Bach entspringt. Tim kann mühelos herumgehen.
Die Mücken sind hier sehr lästig. Man kann nur ständig mit
Birkenzweigen und sonstigen Utensilien um sich herumprügeln, aber
man wird trotzdem ständig gestochen. Tim kann das einigermaßen
mit Ruhe hinnehmen, doch mich treiben die Mücken fast zum Wahnsinn.
Unsere Mückenstifte nutzen wenig, aber ohne wäre es wohl noch
schlimmer. Außerdem ist es für hiesige Breiten sehr warm, wir
haben bestimmt tagsüber duetlich über 25øC. Von
vorne (von Norwegen...) sehen wir ständig schwarze Regenwolken auf
uns zukommen. Irgendwie kommen die Wolken aber nur selten bei uns an, so
daß die Sonne scheint und es warm ist. Wir beobachten eine bestimmte
schwarze Wolke die auf uns zufliegt. Sie wird erst heller, dann gelb und
dann löst sie sich in Luft auf. So tun das alle auf uns zufliegende
Wolken. In Norwegen wird es wohl noch kräftig regnen. Unsere Entscheidung
vor dem Wetter nach Schweden zu "flüchten" war also die
richtige Entscheidung! Gelegentlich fliegen die schwarzen Wolken auch bis
über uns, aber Regen bekommen wir nicht ab.
Gegen Abend suchen wir uns ein Plätzchen wo wir unser Zelt aufstellen
Das gestaltet sich ziemlich schwierig, da es kaum ebene Flächen gibt.
Irgendwann finden wir eine ziemlich gnubbelige Fläche inmitten von
Morast. Nur die Stelle wo wir das Zelt aufstellen ist etwas trockener.
Natürlich sind hier ziemlich viele Mücken unterwegs, aber wir
machen das Zelt zu und töten alles was hineingeflogen ist.
Mittwoch, 28.6.1989:
Wir frühstücken, bauen unser Zelt ab und gehen weiter auf
das Kebnekajse-Massiv zu. Der Weg ist ausgebaut, wenn das Gelände
morastig ist, sind Holzbohlen verlegt über die man schreiten kann.
Irgendwann haben wir die Baumgrenze erreicht. Glücklicherweise gibt
es hier auch weniger Mücken.
Da wir näher an die norwegische Grenze herankommen, finden immer mehr
der dunklen Wolken den Weg über unsere Köpfe. Plötzlich
beginnt ein Riesenguß. Während es regnet überlegen wir
ob wir das Zelt als Regenschutz aufbauen. Als wir uns endlich entschlossen
haben und das Zelt aufbauen, hört es natürlich auf zu regnen.
Wir kraxeln noch ein wenig ziellos durch das Gelände. Wir wollen den
einen Berg hochsteigen um unser Zelt oben aufzubauen.
Der Berg wird irgendwie immer steiler, so das wir richtig Klettern müssen.
Es ist wohl auch nicht zu erwarten, daß oben auf dem Berg eine flache
Stelle ist, wo wir unser Zelt aufbauen können. Da sich die anderen
Leute die hier hochkraxeln anseilen, drehen wir wieder um.
Nach dem wir ein wenig umhergeirrt sind, finden wir eine flache baumlose
Stelle, wo wir unser Zelt aufbauen können. Es ist ziemlich windig,
so gestaltet sich der Aufbau des Zeltes nicht so ganz leicht. Irgendwann
ist das dann aber auch geschafft. Wir machen uns noch etwas zu Essen, dann
überkommt
uns auch langsam aber sicher die Müdigkeit, so daß wir einschlafen.
In der Nacht beginnt plötzlich ein heftiges Unwetter. Es regnet in
Strömen und wir hoffen, daß wir mit unserem leichten einwandigen
Kaufhauszelt nicht davonschwimmen. Wir schlafen unruhig, denn wenn das
Wetter
morgen so bleibt haben wir überhaupt keine Lust weiterzugehen.
Donnerstag, 29.6.1989:
Als wir aufwachen. ist von dem Regen nichts mehr zu sehen, die Sonne
scheint wieder. Allerdings ist das Gras noch feucht. Wir machen Frühstück,
dann geht es langsam wieder Richtung Auto zurück. Wir überlegen
noch, ob wir heute bis zum Auto gehen wollen oder lieber noch einmal irgendwo
in der Wildnis übernachten. Naja, ersteinmal gehen wir los. Bald schon
ist die Hitze brütend, die Mücken sind penetrant und treiben
mich fast zum Wahnsinn. Ich kann es garnicht fassen, daß Tim noch
einigermaßen cool bleiben kann. Da wir genervt
durch
die Mücken ziemlich stramm marschieren und auch wegen der Viecher
keine großartige Pause machen, ist schon bald klar, daß wir
das Auto wohl schon heute erreichen werden.
Wir gehen den Wer zurück, den wir gekommen sind und erreichen so irgendwann
wieder die Furt des Flusses, den wir auf dem Hinweg durchwatet haben. Das
Unwetter heute Nacht hat den Fluß aber in einen tosenden und reißenden
Wildfluß verwandelt. Wir schauen uns ratlos an. Irgendwie ist uns
klar, daß wir irgendwo den offiziellen Weg verlassen haben. Das muß
unseren Schätzungen nach aber schon fünf Kilometer her sein.
Die wollen wir natürlich auch nicht zurückgehen. Dieser Weg wird
ansonsten wohl eher vom Militär benutzt, wir haben einige Militär-LKW
im Gebüsch stehen sehen. Ich mache den Vorschlag, daß wir uns
Stöcke zurechtmachen auf denen wir uns bei unserer Flußüberquerung
abstützen können. Tim findet die Idee gut, so machen wir uns
also beide einen Stock zurecht. Meiner ist etwas kurz geraten, aber egal...
Wir ziehen Hosen und Stiefel aus und schnallen diese auf unser Gepäck.
Tim geht vorsichtig vor, ich folge ihm. Das Wasser wird immer tiefer. Als
wir bis über die Knie im Wasser sind wird es allmählich schwierig
das Gleichgewicht zu halten. Wir haben den Fluß schon zu zwei Dritteln
überquert, doch die tiefste und am stärksten strömende Stelle
noch nicht erreicht. Als das Wasser unsere Oberschenkel umspült können
wir uns kaum noch auf den Beinen halten. Solange wir mit beiden Füßen
auf dem Boden stehen geht es noch so, aber wenn man einen Schritt tun will
muß man bekanntlich einen Fuß vor den anderen setzen. So stehen
wir nun am tiefsten Punkt des Flusses und können irgendwie nicht mehr
weitergehen. Wir überlegen ob wir zurück gehen wollen, entscheiden
uns aber dagegen, da das Umdrehen wahrscheinlich noch schwieriger ist als
geradeaus weiterzugehen. Das andere Flußufer ist nur noch ungefähr
zwei Meter entfernt aber wir stehen einfach in der tiefsten und reißendsten
Stelle. Tim wagt noch einen kleinen Schritt und fällt um. Er stößr
sich im Fallen noch ein- oder zweimal mit den Füßen in Richtung
Ufer ab und kommt da dann auch mehr oder weniger wohlbehalten an. Ich stehe
noch inmitten des Flusses und traue mich nicht vor und nicht zurück.
Tim packt seinen Fotoapparat aus und will mich fotografieren. Kurz bevor
er auf den Auslöser drückt reißt es mich dann hin. Leider
erschrickt Tim so, daß er nicht mehr abdrückt. Da ich noch etwas
weiter vom Ufer entfernt bin werde ich von der Strömung mitgerissen.
Tim sieht mich den Fluß heruntertreiben. Ich versuche erst aufzustehen,
habe aber natürlich in der reißenden Strömung keine Chance.
Irgendwann komme ich dann auf die Idee es mal mit Schwimmbewegungen zu
versuchen. Das klappt aber auch sehr schlecht, da ich den Stock noch in
der rechten Hand halte. Nungut, ich lasse ihn also los und versuche auf
das linke Ufer zuzuschwimmen. Irgendwann ist das rechte Ufer aber ganz
nah, und das linke weit weg. Auch wenn es das falsche Ufer ist, gehe ich
dort dann an Land. Tim ist noch in Sichtweite, aber ich bin bestimmt 200
Meter getrieben. Ich winke ihm gleich zu, um ihm zu signalisieren, daß
es mir gut geht. Meinen rechten großen Zeh habe ich mir allerdings
irgendwo an einem Stein aufgeschlagen, aber das interessiert mich ersteinmal
nicht. Ich bemerke, daß ich mich nicht etwa am Ausgangsufer befinde,
sondern auf einer Insel mitten im Fluß. Allerdings ist das Ausgangsufer
wohl deutlich leichter zu erreichen. Ich ziehe meine Stiefel an und gehe
wieder an das Ausgangsufer zurück. Tja,
da stehen wir nun beide, ich hier, Tim dort. Nocheinmal will ich es nicht
wagen hier durch den Fluß zu gehen. Ich gehe noch erst am Ufer hin
und her um vielleicht eine breitere und flachere Stelle zu finden, doch
immer wenn ich auf den Fluß zugehe wird mir fast schlecht vor Angst,
ich habe doch einen ziemlichen Schreck davongetragen. Eine Kommunikation
mit Tim ist nicht möglich, da der Fluß viel zu laut ist. Durch
Zeichensprache versuche ich ihm klarzumachen, daß ich nun versuche
den offiziellen Wanderweg zu gehen wo es bestimmt eine Brücke über
den Fluß gibt. Ich kann mich zwar nicht so ganz verdeutlichen, aber
irgendwann winke ich ihm zum Abschied und gehe den Weg zurück, den
wir gekommen sind. Er wird´s schon irgendwie kapieren. Ja, so liegen
nun noch ungefähr zehn Kilometer vor mir, während Tim nur noch
zwei oder drei Kilometer bis zum Auto hat. Ich gehe den Pfad zurück.
Nach ungefähr zwanzig Minuten bemerke ich, daß ich immer noch
in Unterhose unterwegs bin. Außerdem sind meine Stiefel voller Wasser.
Die Mücken haben meine nackten Oberschenkel inzwischen völlig
zerstochen, aber das habe ich garnicht registriert. Ich ziehe meine Stiefel
aus und kippe das Wasser heraus. Als ich den rechten Stiefel auskippe,
fließt eine eklige rote schaumige Brühe heraus. Ich habe eine
widerliche Fleischwunde im großen Zeh und er tut wenn ich so darüber
nachdenke auch ziemlich weh. Ich versuche lieber nicht darüber nachzudenken,
denn ich habe noch zehn Kilometer Fußmarsch vor mir. In meinem Gepäck
finde ich noch eine fast trockene Jogginghose die ich überziehe. Dann
ziehe ich Strümpfe und Stiefel an, ohne auf meinen Zeh zu gucken und
weiter geht's. Irgendwann komme ich an ein paar Hütten vorbei. Hier
irgendwo haben Tim und ich wahrscheinlich den offiziellen Weg verloren.
Ich frage ein paar Leute und gehe dann den richtigen Weg zurück nach
Nikkualokta. Irgendwann erreiche ich wieder den Fluß. Eine Hängebrücke
fürht drüber hinweg. Mir wird wieder ganz komisch, als ich das
tosende Wasser sehe. Was wäre wenn ich gegen einen Felsen geknallt
wäre? Was wäre wenn ein Wasserfall gekommen wäre? Ich überquere
den Fluß. Mein Zeh tut ziemlich weh. Unter normalen Umständen
würde ich jetzt im Sessel sitzen bleiben und die zurückzulegenden
Strecken auf einem Bein hüpfen, aber ich habe noch ein paar Kilometer
zu laufen. In Nehberg's "Medizin Survival" habe ich gelesen,
daß man Schmerzen wenn es notwendig ist einfach ignorieren kann und
weitergehen. Das ist auch bei mir der Fall. Ich merke die Schmerzen zwar,
aber irgendwie stören sie nicht so richtig, da die Sinne auf andere
Dinge konzentriert sind. Hinter jeder Wegbiegung erwarte ich Nikkualokta
zu erblicken. Irgendwann erblicke ich es auch und was erblicken meine Augen
noch - Tim! Er kommt mir entgegen. Er hat ein paar Lebensmittel eingepackt,
damit ich mich stärken kann. Da wir allerdings jetzt keinen Kilometer
mehr vom Auto entfernt sind, gehen wir dorthin zurück. Dann verarzten
wir ersteinmal unsere Füße. Tim hat sich nämlich den linken
Fuß verletzt. Unsere Sachen hängen wir irgendwo in der Gegend
auf. Nicht weit von dem Parkplatz ist ein lichter Kleinwald in dem schon
einige Zelte stehen. Wir stellen unser Zelt dort auf. Plötzlich merke
ich meinen Fuß. Als wir den Saft im Auto vergessen haben wollen wir
beide wegen unserer desolaten Füße nicht die 200 m zum Auto
zurückgehen. Und vorher bin ich noch zehn Kilometer gelatscht... Wir
schlafen beide unruhig und haben wilde Träume von Wasserrfällen
und Ertrinken in Flüssen... Unter normalen Umständen wären
wir wohl niemals auf die Idee gekommen einen so tosenden Fluß zu
überqueren. Dadurch, daß wir diesen Fluß aber nur zwei
Tage vorher als kleinen Bach erlebt hatten, war unser Beurteilungsvermögen
wohl etwas getrübt.
Freitag, 30.6.1989:
Wir fahren heute etwas ziellos weiter. In Gällivare kaufen wir
ein. Wir humpeln wie zwei Achtzigjährige durch die Stadt.
Am Abend kommen wir nach Luleå. Von dort aus rufen wir noch mal zuhause
an und erzählen, daß es uns gut geht. Wir zelten auf einer Wiese
am Waldrand. Hier sind fast noch mehr Mücken als bei unserer Wandertour.
Wir kochen uns Nudeln mit Tomatensoße. Die Nudeln zerkochen so sehr,
daß wir die Hälfte davon wütend in den Wald werfen.
Samstag, 1.7.1989:
Wir werden durch ein leichtes tick-tick geweckt. Nachdem wir ein wenig
rätseln woher das Geräusch kommt, merken wir daß das die
Mücken sind, die auf unserem Zelt landen. Die Sonne scheint und wir
sehen die Schatten der Viecher ganz deutlich auf unserem einwandigen Zelt.
Wir packen unser Zelt in Rekordtempo zusammen und verschwinden im Auto.In
dem unordentlichen Auto haben Mücken leider auch gute Gelegenheit
sich zu verstecken. Immer wieder tauchen welche auf, immer wieder müssen
wir eine neue Mücke totschlagen.
Der Tag verläuft wenig ereignisreich, wir fahren die E4 weiter nach
Süden. Als wir uns am Abend in der Nähe von Hudiksvall einen
Platz zum Zelten suchen merken wir, daß es hier wieder Landwirtschaft
gibt, und es garnicht so einfach ist einen abgelegenen Platz zu finden.
Wir bauen unser Zelt dann irgendwo im Wald, nicht weit von landwirtschaftlichen
Feldern auf. Sehr positiv fällt uns auf, daß es hier fast keine
Mücken gibt. Dafür sind hier eine Menge dicker Brummer unterwegs.
Wir liegen im Zelt und lauschen den Brummern. Es hört sich an wie
eine Flugshow mit Propellerflugzeugen. Die Viecher fliegen vorbei, und
landen und starten auf unserem Zelt.
Irgendwann fallen wir dann in den Schlaf.
Sonntag,
2.7.1989:
Wir fahren die E4 gemütlich weiter Richtung Süden. Unser
nächstes Ziel ist das Schärengebiet um die Insel Gräsö
nördlich von Stockholm. Da wir aber noch ziemlich viel Zeit haben,
lassen wir es mit der Fahrt gemütlich angehen. und planen ein paar
Tage für die Strecke dorthin ein.
Gegen Abend fahren wir über eine Kurve mit einem wunderschönen
Blick nach Sundsvall ein. Wir gehen zu einem im klassischen Stil aufgebautem
Rikstelefon und telefonieren nach Hause. Wir vermelden daß wir und
unser altes Auto beide wohlauf sind. Dann gehen wir zurück zum Auto,
und fahren los. Nach einhundert Metern geht beim Abbiegen plötzlich
der Motor wieder aus. Komisch, das hatte ich nun noch nie. Ich versuche
zu starten, der Anlasser orgelt auch ganz willig, aber sonst passiert garnichts!
Ich rolle noch auf den Parkstreifen und versuche den Wagen zu starten,
aber er springt nicht ansatzweise an. Uiuiui, Angst steigt in mir auf!
Wie gut daß meine Mutter mir den ADAC-Euroschutzbrief spendiert hat,
von allein hätte ich ihn bestimmt nicht gekauft!
Wir öffnen die Motorhaube. Außerdem ziehen wir unsere für
solche Situationen mitgenommenen Blaumänner an. Bei der Reiseplanung
war es echt cool wie selbstverständlich die Blaumänner für
eventuelle Reparaturen unseres Altautos in der Wildnis mitzunehmen, jetzt
wo es passiert ist, ist die Situation doch irgendwie nicht ganz so komisch.
Irgendwie sieht im Motorraum alles normal aus. Vielleicht ist der Kraftstoffschlauch
verstopft? Ich schraube den Schlauch ab, blase einmal kräftig hinein,
so daß es im Tank blubbert. Dann sauge ich an und habe natürlich
plötzlich den Mund voller Benzin. Bah! Solche Kleinigkeiten stören
mich aber aufgrund der für mich doch ziemlich aufregenden Situation
nicht. Wir prüfen noch ob ein Zündfunke vorhanden ist, und es
ist einer vorhanden. Komisch, wenn ein Zündfunke da ist und Kraftstoff
auch muß der Motor doch anspringen. Ratlos blättere ich in den
Schutzbrief-Unterlagen herum. Tim schraubt vorne den Öldeckel auf,
der einen Blick auf die Nockenwelle zuläßt. Ich betätige
noch einmal den Anlasser. Irgendwie bewegt sich die Nockenwelle nicht.
Während Tim noch überlegt, ob das normal ist, wird mir sofort
klar, das der Zahnriemen gerissen sein muß! O je, dieser Defekt endet
normalerweise mit einem kapitalen Motorschaden, da aufgrund fehlender Steuerung
die Kolben auf die offenen Ventile aufschlagen! Allerdings haben wir beide
kein Geräusch gehört daß aber bestimmt entstehen müßte
wenn der Motor mit solcher Brachialgewalt kaputt geht. Wir haben also noch
Hoffnung.
Wir schrauben das Gehäuse des Zahnriemens ab. Was sehen wir? Der Zahnriemen
ist scheinbar ganz normal aufgezogen. Das kann ja nun wirklich nicht sein,
dann MUSS sich doch auch die Nockenwelle mitdrehen??! Oder ist irgendeine
Welle gebrochen? Bevor wir ins große Rätseln verfallen betätige
ich nocheinmal den Anlasser und Tim beobachtet den Zahnriemen. Des Rätsels
Lösung ist dann bald gefunden. Der Zahnriemen ist zwar nicht gerissen,
aber er hat zwölf hintereinander leigende Zähne verloren, so
daß das untere Zahnrad natürlich durchrutscht. Die Zähne
liegen unten im Gehäuse noch verstreut.
Glücklicherweise haben wir ein VW-Büchlein mit, in dem sämtliche
VW-Werkstätten in Europa verzeichnet sind mit. Auch hier in Sundsvall
gibt es einen. Der Blick auf den öffentlichen Touristenstadtplan zeigt
uns, daß die Werkstatt nur ungefähr einen Kilometer entfernt
ist.
Da wir ohne Ersatzteil sowieso nichts machen können und heute Sonntag
abend ist, waschen wir in einem öffentlichen Klo unsere Hände
und machen dann einen Spaziergang durch Sundsvall, der uns natürlich
in erster Linie zu dem VW-Händler führt. Dieser ist wirklich
leicht zu finden, wir merken uns den Weg schon für morgen früh.
Er öffnet um acht Uhr.
Die Nacht verbringen wir ziemlich ungemütlich im Auto. Tim hat es
auf der Beifahrerseite noch etwas leichter, weil ihn dort kein Lenkrad
stört.
Montag, 3.7.1989:
Nach dieser furchtbaren Nacht wachen wir recht früh auf und können
noch beobachten wie die Straßen hier morgens gründlich mit Reinigungsmaschinen
gereinigt werden. Bald machen wir uns mitsamt unserem alten Zahnriemen
auf zu der Werkstatt.
Wir zeigen das defekte Teil vor und bekommen sofort einen neuen Zahnriemen.
Er kostet fast 70,- DM was ich zwar relativ teuer finde, aber in Anbetracht
der Situation können wir das schon mal ausgeben. In Deutschland kostet
der gleiche Zahnriemen jedenfalls nur rund 40,- DM.
Wir tapern nun mit unserem Zahnriemen zurück zum Auto. Inzwischen
ist die Stadt hier ziemlich belebt, wir stehen mitten in der Innenstadt.
Außerdem gibt es hier Parkscheinautomaten, da wir aber nun ja die
ganze Zeit am Auto sind, werfen wir kein Geld ein. Außerdem parken
wir nicht, sondern wir haben eine Panne.
Inmitten der vielen Leute bauen wir nun den neuen Zahnriemen ein. Das geht
auch ziemlich problemlos vonstatten, peinlichst achte ich darauf, daß
Die Zahnräder beim Zusammenbau richtig zueinander stehen.
Der große Moment kommt: Ich versuche den Motor zu starten. Schon
nach kurzen Startversuchen springt er an und hört sich an wie eh und
je. Tim und ich jubeln.
Wir gehen noch einmal zu der öffentlichen Toilette und waschen unsere
Hände. Dann kaufen wir eine Tafel Marabou-Schokolade die erstaunlicherweise
nicht teurer als in Deutschland ist. Bald wissen wir auch wieso: Auf den
ersten Blick hat die Tafel zwar die gleiche Größe, aber sie
ist deutlich dünner. Insofern ist die Schokolade natürlich schnell
verspeist.
Wir fahren weiter auf der E4 Richtung Süden. Das Wetter ist sonnig
und sehr warm. In Gävle zeigt ein öffentliches Thermometer 29øC
an. Wir gehen in einen Supermarkt und wollen Brot kaufen. In Schweden gibt
es irgendwie nur Weißbrot, und alles was ein wenig wie normales Brot
oder Schwarzbrot aussieht ist mit Zucker gesüßt und schmeckt
wie Lebkuchen. Als wir dann Original duetsches Harry-Import-Brot sehen
können wir das natürlich nicht im Regal liegen lassen und kaufen
trotz des hohen Preises ein Paket Feinbrot sowie ein Paket Schwarzbrot.
Hinter Gävle wollen wir irgendwo zelten. Wir finden aber keinen schönen
Platz. Da Gräsö, die Insel im Schärengebiet wo wir hin wollen
auch nicht mehr so weit weg ist, fahren wir das Stück dann auch noch.
In Öregrund fährt die (kostenlose) Fähre nach Gräsö.
Leider müssen wir eine ganze Zeit warten. Ich nutze die Zeit um zu
prüfen ob meine Mailbox noch online ist. Ich habe nämlich zu
Hause auf dem Atari ST eine Mailbox mit einem selbst programmierten Mailboxprogramm
laufen, die ENIAC2-Box. Ich rufe die Nummer an, und höre den Carrier,
also scheint sie noch zu funktionieren. Bald kommt dann auch die Fähre
und wir fahren nach Gräsö. Tim ist träge und pennt die ganze
Zeit. Als erstes fahren wir einmal zum Südende nach Idön. Vor
ein paar Jahren als ich mit meinen Eltern in Schweden war mußten
wir von hier aus mit dem Ruderboot zu der kleinen Insel Rävsten rudern,
wo unser Ferinhaus drauf stand. Außerdem ist dies ein sehr schönes
und idyllisches Fleckchen. Die Schären sind alle nicht weit weg. Ursprünglich
hatten wir ja überlegt unser Zelt und unseren weiteren Krempel in
Plastiktonnen zu verstauen und damit auf eine dieser kleinen Inselchen
zu schwimmen, um da zu zelten, aber irgendwie haben wir da jetzt keine
so große Meinung mehr zu, zumal unsere Füße ja immer noch
von dem Flußabenteuer etwas lädiert sind.
Wir suchen einen schönen Platz zum zelten, am besten am Meer. Wir
finden einen an einem kleinen Waldweg, der zwar nicht direkt am Meer ist,
aber man muß nur ungefähr 300 Meter laufen. Das "Meer",
die Ostsee liegt hier zwischen den ganzen Inseln allerdings ruhig wie ein
See, und besonders salzig ist sie hier auch nicht mehr.
Wir bauen unser Zelt auf und übernachten.
Dienstag, 4.7.1989:
Als erstes fahren wir einkaufen. Auf Gräsö gibt es einen
kleinen ICA-Markt. Als wir über den Holperweg zum Zeltplatz zurückkommen
haue ich beim fahren mit dem Bodenblech auf einen Stein, der Auspuff rödelt
nun irgendwo gegen. Bei einem Blick unter das Auto sehe ich, daß
ein festgeschraubtes kleines Winkelblech, dessen Sinn und Zweck mir schleierhaft
ist, verbogen ist und den Aupuff berührt.
Nach dem Frühstück meinen wir, daß eine Körperpflege
nun wieder dringend nötig wäre. Unser letztes Bad war das unfreiwillige
in dem Wildfluß, und die Körperpflege aus dem Wasserkanister
ist nun auch nicht das wahre gewesen.
Wir fahren also zum Badestrand. Etwas komisch kommen wir uns schon vor,
als wir zwischen den ganzen Menschen mit unserer Seife in die Ostsee gehen
um uns zu waschen. Es klappt dann aber auch ganz gut. Glücklicherweise
ist das Wasser hier kaum salzig.
Mit rödelndem Auspuff fahren wir zu unserem Zelt zurück. Ich
slege mich unter das Auto, schraube das Blech ab und klopfe es wieder gerade.
Das nervt sonst doch etwas.
Dann sammele ich noch Heidelbeeren. Es gibt hier ziemlich viele Heidelbeeren.
Ich sammele drei Becher Beeren. Das dauert ziemlich lange, weil diese wilden
Beeren sehr klein sind. Die Heidelbeeren werden dann frei nach Schnauze
gekocht und mit detwas Zucker zu Marmelade verarbeitet. Leider kommt nur
ein halber Becher Marmelade dabei raus, obwohl der Zucker ja noch dazugekommen
ist. Wenigstens ist die Marmelade sehr wohlschmeckend.
Mittwoch,
5.7.1989:
Nach einem gemütlichen Frühstück machen wir uns ganz
langsam wieder auf den Weg. Wir fahren bis kurz vor Stockholm und suchen
uns eine Stelle im Wald zum übernachten. Da es hier offensichtlich
keine Mücken gibt, versuchen wir mal wieder ohne Zelt zu übernachten.
Tim übersteht die Nacht ganz gut, doch ich werde ein paarmal von einer
einzelnen Mücke dermaßen genervt, daß ich fast ausraste.
Da ich Brillenträger bin habe ich auch keine Chance so eine Mücke
spontan zu erwischen, denn bis ich meine Brille aufgesetzt habe ist das
Viech schon wieder außer Sichtweite.
Donnerstag, 6.7.1989:
Heute wollen wir uns Stockholm anschauen. Wir fahren ziemlich unvorbereitet
in die Stadt hinein, suchen nach einem kostenlosen Parkplatz und finden
natürlich keinen. Nachdem wir bestimmt eine Stunde durch Stockholm
geeiert sind, haben wir die Nase voll und verlassen die Stadt ohne einmal
das Auto verlassen zu haben. Wir sind sowieso beide keine großen
Stadtmenschen obwohl wir aus Hamburg kommen.
Nun wollen wir wieder zu der Stelle am See fahren, wo wir auf dem Hinweg
schon waren. So haben wir wenigstens ein Ziel und müssen nicht noch
abends ewig einen Platz zum zelten suchen sofern da niemand anders ist.
Wir haben Glück, die Lichtung ist leer. Wir bauen unser Zelt auf,
betrachten noch einmal den See und dann ist auch schon wieder der Tag vorbei.
Freitag,
7.7.1989:
Den heutigen Tag nutzen wir zu einer ausgiebigen Körperpflege
im See. Ganz leicht ist das nicht weil man immer auf den im Wasser liegenden
Felsen balancieren muß. Dann schwimmen wir beide noch zu der kleinen
Insel im See. Die Entfernung läßt sich schlecht schätzen,
aber wir sind bestimmt zehn Minuten unterwegs. Kurz vor der Insel sind
teilweise wieder alte Bäume und Felsen knapp unter der Wasseroberfläche,
so daß man sich beim Schwimmen sehr vorsehen muß sich nicht
zuv verletzen.
Tim ist nicht vorsichtig genug und haut sich die Hand an. Angekommen an
der kleinen Insel sind wir beide nicht mehr ganz so fit, weil wir beide
(vorallendingen ich) nicht so die tollen Schwimmer sind. Um den Rückweg
zu verkürzen schwimmen wir nicht zu unserem Ausgangsufer zurück,
sondern direkt an das nächstliegende Ufer einer Landzunge. Den Rest
des Weges suchen wir uns durch den Wald, was auch nicht so toll ist, da
erstens die Orientierung nicht ganz leicht ist, zweitens Mücken unterwegs
sind und drittens der Waldboden ziemlich stachelig istund unsere zarten
Städterfüße malträtiert.
Irgendwann erreichen wir dann aber doch wieder unser Zelt. Den Rest des
Tages benutzen wir zum Gammeln.
Samstag, 8.7.1989:
Heute gammeln wir.
Sonntag, 9.7.1989:
Wir entschließen uns, heute langsam nach Hause aufzubrechen.
Wir fahren Richtung Süden. Einmal werden wir on einem fiesen Regenguß
überrascht, dummerweise genau in dem Moment wo wir tanken müssen.
Noch dummerweise handelt es sich bei der Tankstelle um eine kleine nicht
überdachte Automatentankstelle. Nachdem wir etwas gewartet haben,
verliere ich die Geduld, ziehe mein Hemd aus und betanke das Auto im strömenden
Regen. Nachdem ich fertig bin, wieder einsteige und mich abgetrocknet habe
hört der Regen natürlich auf und die Sonne kommt hervor. Naja,
wenn ich das gewußt häte, hätte ich die paar Minuten dann
auch noch gewartet. Eigentlich wollten wir ja noch einmal in Schweden übernachten,
aber je weiter wir nach Süden fahren, desto mehr verspüren wir
die Lust doch gleich weiter nach Hause zu fahren. So erreichen wir dann
am Abend Helsingborg. Es werden extrem viele Sonnenuntergangsfotos gemacht,
da wir ja unsere Filme noch vollbekommen wollen.
Nach einer ereignislosen Fahrt durch Dänemark setzen wir dann mitten
in der Nacht von Rødbyhavn nach Puttgarden über. Wir brettern
nun durch die Nacht hindurch nach hause, nach Hamburg.
Du bist Leser Nummer seit dem 12. April
1998
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