Radwanderung


Mai 1989










von

Lauenburg


nach

Altenau



1.Tag, Sonntag 07.05.1989


Nach kurzer Nacht heißt es um 7:30 Uhr aufstehen. Die üblichen Vorbereitungen beginnen. Baden, Frühstücken, den Wagen auftanken und den Raddruck kontrollieren. Robert und Annika sind auch schon wach, Robert ist wieder ganz aufgeregt und mißtrauisch. Um 9:15 Uhr winkt die restliche Familie Zornig etwas traurig hinter mir her; zuerst wird Andreas samt Rad und Gepäck in Niendorf abgeholt. Von dort geht es um 10:00 Uhr über die Autobahn zu Tina und Matthias, die heute Mittag den Wagen wieder nach Hause bringen werde. Nach einer Stunde Fahrt sind wir um 11:30 Uhr in Lauenburg angelangt. Über die Elbbrücken führt die Straße jetzt auf das südliche Elbufer, zum Glück finden wir den Weg sofort. Auf einem Parkplatz wird dann bis 12:00 Uhr gepackt und geschnürt. Der Himmel ist bewölkt, es weht ein frischer Wind, aber hin und wieder kommt doch die Sonne hervor.


Etwa 12:10 Uhr ist es dann endlich soweit. Auf dem Deich geht es nun endlich mit dem Radl in Richtung Bleckede. Um 13:00 Uhr machen wir eine erste Rast bei Brackede neben einem Transformatorenhaus. Uns gegenüber liegt Boizenburg (DDR). Die Sonne ist verschwunden, der Himmel fast vollständig bedeckt, ein kalter Wind pfeift um meine nackten Beine. Meist sind wir auf der Straße am landseitigen Deichfuß gefahren, oben auf der Deichkrone ist es doch sehr holperig und windig. Die Gegend wirkt hier doch recht einsam. Hinter dem Deich liegen viele Bracks. Um uns herum sind überall viele Vögel; besonders die Menge an Störchen ist uns aufgefallen. Während der Rast fallen winzige Regentropfen auf meine Beine! Das fängt ja gut an, wenn der kalte Wind nicht bald nachläßt, werde ich doch meine lange Hose anziehen müssen. Die Schokoladenpause wird infolge des Windes schnell beendet; weiter geht es am Deichfuß entlang. Am Örtchen Radegast und dem Vogelschutzgebiet Vitico vorbei sausen wir nach Bleckede. Mir ist saukalt, der Wind pfeift immer unangenehmer! Gegen 14:00 Uhr rollen wir durch Bleckede. Hier ist absolut nichts los; der Ortskern nicht weiter erwähnenswert!


Schnell lassen wir die Häuser hinter uns. Der markierte Weg verläuft jetzt anders als in der Karte verzeichnet und im Führer beschrieben ist. Zum Glück schwenkt die Wegführung nun langsam landeinwärts. Auf unserem Weg kommen uns langsam und rumpelnd ein zwei Radfahrer entgegen; ein Ehepaar mit Tourenrädern, der Mann zieht mit sichtlicher Mühe den Fahrradanhänger von Kettler hinter sich her! Endlich erreichen wir Wald. Der Windschutz ist sehr willkommen. Vor und hinter Alt Garge verlieren wir den Weg. Unmittelbar am Elbufer befinden sich hier merkwürdige Anlagen und Bauwerke am Elbhang der Viehler Höhe?! Nach einem kurzen Blick auf die Karte beschließen wir bis Walmsburg auf der Elbuferstraße zu fahren. Dort angekommen ist der Wanderweg um 15:00 Uhr wieder erreicht. In geschützter Lage machen wir am Waldrand eine ausgedehnte Mittagsrast. Die Skorpas, bestrichen mit Tartar erweisen sich als eine besondere Leckerei. Wir sind beide so davon begeistert, daß bis auf vier Stück alle weggeputzt werden. Hinter Alt Garge haben wir die Elbe nun endgültig verlassen, der Weg führt nun zunehmend durch bewaldete Landschaft. Obwohl es zwischendurch öfters sehr dunkel war, hat es bis auf einige Spritzer nicht geregnet. Jetzt ist die Bewölkung fast verschwunden und es klart zunehmend auf; nur die Sonne hat uns wohl für heute endgültig verlassen. Nach etwa einer halben Stunde, gegen 15:30 Uhr, geht es weiter in Richtung Göhrde.


Wurden die Räder anfangs nur zum Spaß geschoben, wird hinter der Ferienhaussiedlung der Weg so sandig und steil, daß es gar nicht anders zu schaffen wäre! Durch herrlich grünen Laub- und später Nadelwald geht es durch Reeßeln (fast schon Almcharakter) zur Straße bei Quarstedt. Kurz vor der Straße ist ein breiter, romantischer Bach. Auf der Holzbrücke erfolgt eine Kurzrast. Jetzt, wo der Wind nicht mehr einwirken kann, ist es auch wieder wesentlich angenehmer. Sogar die Sonne kommt zwischendurch durch den grauen Himmel zum Vorschein. Um 16:25 Uhr geht es weiter über teilweise sehr sandige und nicht selten auch sehr steile Wege. Nach einer halben Stunde ist Samnatz erreicht. Konnten bis eben im schönsten Sonnenschein radeln. Die letzte Steigung bis zum Ort hat mich ganz schön zum Schwitzen gebracht, aber auch Andy schnauft etwas. Insgesamt sind die Wege aber heute recht gut fahrbar! Nach Überquerung der Landstraße können wir durch eine sehr schöne Abfahrt wieder etwas verschnaufen. Als es wieder in den Wald geht entsteht große Verwirrung. Trotz Weggabelung ist nirgends eine Markierung zu finden. Unsere recht ungenaue Karte im Führer kann hier kaum helfen. Dem zuerst gewählten Weg trauen wir dann doch nicht und kehren wieder um. Der andere Weg ist fast gänzlich zugewachsen, viele Minuten sind wir völlig unsicher, doch plötzlich sind die Kreuze wieder da! Zu allem Unglück ist der Himmel im Norden plötzlich zappenduster geworden, da kann es einem ja Angst und Bange um unser Nachtlager werden.


Bald darauf haben wir die Bahngleise beim Haltepunkt Leitstade erreicht. Hier sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht! Es ist kaum vorstellbar, daß hier jemals ein Zug entlangfährt oder sogar anhält. Die nunmehr deutlich sichtbaren Wegmarkierungen leiten uns weiter - leider in die Irre (entlang der Bahnlinie gen Osten)! Da dies nun mit der Kartenskizze im Führer überhaupt nicht übereinstimmt kehren wir nach etwa einem Kilometer Sandweg wieder um. Wie aus der Karte zu entnehmen führt der Weg rechtwinklig zur Bahnlinie weiter! Zuerst geht es über festplaniertem aber holperigem Schotterweg leicht bergauf, dann durch Mahlsand wieder leicht bergab bis nach Nieperfitz. Kein schönes Wegstück! Am Ortsausgang dieses kleinen Dorfes finden wir dann jedoch einen kleinen Teich mit Unterstandhütte, Bänken und Grillplatz. Hier machen wir von 18:00 bis 18:30 Uhr Rast. Sogar die Sonne lugt hin und wieder mal hervor, vielleicht hat uns der dunkle Himmel doch umsonst in Unruhe versetzt. Die Stimmung ist gut, nur mein Hintern ist schon arg malträtiert. Die Skorpas sind nun alle. Sie haben sich als wohlschmeckende Wegzehrung bewährt - unbedingt wieder besorgen! Durch Zufall schaue ich mir dann das nächste Kartenblatt des Führers an. Mit Grauen müssen wir feststellen, daß auf dieser Skizze der Weg sehr wohl am Bahndamm entlang und dann nach Govelin verläuft. Unsere Umkehr und der "Umweg" über Nieperfitz etc. sind also völlig überflüssig! Doch was soll's, eigentlich ist das doch egal! Wir beschließen weiter nach Göhrde und von dort weiter auf der Straße in Richtung Schmessau zu fahren bis wir den Weg wieder kreuzen. Göhrde besteht offenbar nur aus dem bekannten Jagdschloß. Auch aus Zeitgründen wird hier kein Halt eingelegt. Die Fahrt auf der Straße verläuft recht zügig. Zweimal geht es bergauf, aber jedesmal entschädigt eine lange Abfahrt. Wenn nur nicht diese rasenden Autofahrer uns nerven würden! Bald erreichen wir die Stelle wo der Wanderweg die Straße kreuzt.


Es ist nun höchste Zeit für die Lagersuche. Nach einigen Fehlschlägen werden wir dann gegen 19:30 Uhr fündig. Hinter einer Kiefernschonung im lichteren Laubwald gefällt es uns. Auspacken und Zeltaufbau dauern bis 20:10 Uhr. Unangenehmerweise stinkt Andy's Zelt nach Kotze, das kann ja heiter werden. Warmes Essen gibt es 20 Minuten später. Mein Kocher funktioniert heute nicht so recht. Außerdem sind die Zubehörteile von einer schmierigen Aludreckschicht überzogen, das nächste Mal muß ich die Tourenvorbereitungen wieder etwas ernsthafter betreiben! Die "Griechische Pfanne" von Jokisch schmeckt ausgezeichnet! Sehr scharf! Leider ist eine Portion viel zu wenig für zwei Personen.


Die Sonne geht jetzt langsam unter, hier im windgeschützten Wald ist es sehr gemütlich. Da unser Appetit noch nicht gestillt ist, verdrücken wir noch etwas Wurst und Käse und trinken die letzte Coca Cola. Unser scharfes Abendessen hat nun natürlich in ungeheurem Durst sein Nachspiel. Gleich ist es 21:00 Uhr; Zeit in unsere Schlafsäcke zu kriechen.


Der Tacho zeigt für den ersten Tag folgende Daten :

Zeit (Brutto) = 12:10 - 19:30 = 7:20 Stunden
(Netto) = = 5:00 "
Fahrstrecke = = 58 km
øGeschw. = = 11,6 "
Gesamtstrecke = = 58 "



2.Tag, Montag 08.05.1989

Obwohl gerade der erste Tag eigentlich immer besonders ungewohnt und hart ist, waren wir gestern Abend gar nicht so müde und erschlagen. Haben noch lange Zeit über vergangene Touren erzählt. Als es dann endlich zur Ruhe ging, war uns beiden unangenehm warm im Schlafsack. Besonders gut habe ich nicht geschlafen, ein richtiges Bett ist doch sehr viel angenehmer!


Heute morgen weckt uns die Sonne und ein vielstimmiges Vogelgezwitscher. Der Harndrang treibt mich schon 7:45 Uhr aus dem Zelt. Es ist ein herrliches Wetter! Matthias' Haferflockenmischung ist enttäuschend, trotz langem aufkochen wird die Mischung überhaupt nicht dick. Da sind wohl gar kein Haferflocken drin? Der übliche morgendliche Lagerbetrieb dauert bis etwa 9:00 Uhr; nach kurzem Kartenstudium brechen wir zehn Minuten später auf.


Um 10:45 Uhr stehen wir beide auf dem Hohen Mechtin (142m), wir stellen unsere Räder am Fuß eines gewaltigen hölzernen Feuerwachturmes ab. Nach unserem Aufbruch mußten wir unsere Räder lange über Sandwege schieben. Aber auch der Sand hatte dann ein Ende und schließlich ging's dann doch auf dem Sattel sitzend weiter. In kurzer Folge durchqueren wir mehrere (Kleinst-)dörfer. Das Wetter ist geradezu ideal. Blauer Himmel, Sonnenschein und eine angenehm kühle Luft. Unsere Stimmung entsprechend gut. Die Steigungen hinauf auf den Hohen Mechtin waren schon sehr anstrengend, im Vergleich zum Sauerland jedoch harmlos.


Natürlich wird der Turm von uns bestiegen. Kurz nach uns erscheint auf der Plattform der "Feuerwächter". Während dieser nach unserem kurzen Gespräch in seinem Häuschen Unterschlupf findet, treibt uns der kalte Wind nach wenigen Minuten wieder nach unten. Der Rundblick ist bei klarem Wetter sicher berauschend; so weit das Auge reicht erstrecken sich ringsum scheinbar endlose Wälder. Auf einer Bank am Fuße des Turms, nun wieder windgeschützt, machen wir inmitten des wunderschönen, lichtdurchfluteten Buchenwaldes noch eine kleine Rast. Leider sind alle unsere Getränke und auch Wurst und Käse alle. Weiter geht es 11:15 Uhr.


Eine Stunde später machen wir auf einem kleinen Waldparkplatz an der Straße nach Uelzen, südlich von Hohenwolkfien die nächste Rast. Unsere letzten Wasservorräte, geschmacklich angereichert mit Quench, werden durstig ausgezecht. Seit Bleckede gab es keinerlei Einkaufsmöglichkeit! Als Fußwanderer hätte man sicherlich arge Probleme mit Verpflegung und Getränken.


Die Bergabfahrt führte durch herrlichen Mischwald, meist auf guten Wegen und von Sonnenschein begleitet. Der Wind rauscht ständig in den mächtigen Bäumen; auf freien Wegstücken bläst er uns kräftig durch. Ich habe heute zwar wieder meine kurze Hose angezogen, die Daunenweste ist jedoch trotz des Sonnenscheins unverzichtbares Kleidungsstück! Kurz unterhalb des Turmes kam uns, wir wollten unseren Augen kaum trauen, ein LKW vom BGS entgegen. Trotz des schmalen Fußweges und einer atemberaubenden Steigung schob sich der Funkwagen mit lautem Motorgedröhne unaufhörlich den Berg hinauf. Ohne Rücksicht wurden dabei jedoch Büsche plattgewalzt oder die Rinde der größeren Bäume beschädigt. Wozu das wohl gut sein sollte?


Nach einer Viertelstunde, um 12:30 Uhr, fahren wir weiter. Hauptziel ist jetzt Schnega, hier hoffen wir endlich unsere Vorräte wieder auffrischen zu können. Bis dort ist es allerdings noch ein ganzes Stück Weg. Nach einer Dreiviertelstunde erreichen wir Reddereitz. Besteht nur aus wenigen Häusern, aber im Dorfteich können wir unsere bereits leicht angeschnuddelten Hände waschen. Auf dem letzten Wegstück habe ich, als wir unsere Räder mal wieder schieben mußten, eine recht große Blindschleiche entdeckt. Nachdem es mir endlich gelungen war sie zu packen, hat sie mir in die Hand geschissen! Als ich sie daraufhin vor Schreck fallen ließ, verschwand sie sofort in einem Erdloch. Die Sonne brettert jetzt ganz gut auf unsere Köpfe hinab.


Um 13:50 Uhr, kurz hinter Quartzau, kommt es dann ganz unerwartet zum bisherigen Höhepunkt unserer Tour. Beim Abbiegen auf einen grasigen Feldweg zischt es plötzlich laut aus Andy's Vorderrad. Ein nicht auffindbarer Gegenstand hat die Flanke des Vorderrades eingeschnitten! Bis 14:20 Uhr wird geflickt. Den Mantel klebe ich von innen mit Tesa-Band aus, hoffentlich hält das für den Rest der Tour! An den Parabolantennen vorbei fahren wir weiter. Langsam drängt die Zeit; wir müssen ja unbedingt noch einkaufen. Ja, der Reifen hält! Recht flott geht es jetzt voran, manchmal wird über befestigte Feldwege abgekürzt. Kurz vor Schnega geht es über den Hof der Oldendorfer Mühle (wäre was für unsre Mutter). Die romantische Stimmung wird allerdings von einem grimmigen, riesigen Hund nachhaltig gestört - wir sind froh dieses Wegstück ungeschoren hinter uns lassen zu können!


Etwa 15:15 Uhr ist Schnega dann endlich erreicht. Oh, Schreck laß nach - Bäcker und Schlachter haben nur Vormittags geöffnet. Wir sind hier offenbar wirklich am Ende der Welt! Zum Glück findet sich dann ein Gemischtwarenladen der geöffnet hat. Das Warenangebot ist lächerlich, aber unsere dringendsten Bedürfnisse können gestillt werden. Vor allem Getränke und Wasser sind nun wieder im Gepäck. Auf der Laderampe einer verfallenen "Viehverwertung" neben dem Laden (mitten im Ort) sitzend, essen wir reichlich Würstchen aus dem Glas. Die Sonne scheint zwar noch, aber die Bewölkung hat stark zugenommen. Auch der Wind macht sich erneut unangenehm bemerkbar. Unsere Skorpas werden wir, wenn überhaupt, nur in Bodenteich bekommen. Auf der Straße sind es noch 18 km, auf dem Wanderweg sicher einige Kilometer mehr.


Es ist jetzt 15:45 Uhr. Schon aus Zeitgründen bleibt uns gar nichts anderes übrig, wir verlassen unseren Wanderweg und fahren auf der Straße über Warphe und Gielau nach Müssigen. Hier sind wir unmittelbar an der Zonengrenze; dieses zweifelhafte Kulturdenkmal wollen wir dann doch nicht so unbeachtet links liegen lassen. So radeln wir querab zu einem Aussichtspunkt um dieses deutsch/deutsche Grenzbauwerk zu bestaunen. Obwohl die Straße bestens ausgebaut ist, müssen wir wegen des enormen Windes strampeln wie die Verrückten! Infolge dieses Abstechers liegen wir nun noch schlechter in der Zeit; es ist jetzt schon nach 17:00 Uhr. Weiter jetzt nach Thielitz. Hier treffen wir wieder auf unseren Wanderweg. Auf diesem geht es nun das letzte Stück bis nach Bodenteich. Um 17:45 Uhr haben wir es dann endlich erreicht.


Gleich am Ortseingang befindet sich ein großer Supermarkt, nur unser heiß ersehntes Skorpa findet sich nicht! Aus der ansonsten riesigen Auswahl decken wir uns mit Käse, Milch, Farmer Salat und Knäckebrot ein. Für die nun wohlverdiente Rast haben wir uns Eis, Kuchen und Birnen- und Pfirsichsaft von Granini ausgesucht. Eine ganz besondere Freude wird heute Abend sicherlich die Milch sein, auf die ich ja leider in der letzten Nacht verzichten mußte. Auf einer Bank vor dem Einkaufsmarkt machen wir nun in der Abendsonne eine ausgedehnte Verschnaufpause. Andy hat leider Kopfschmerzen und nimmt gleich eine Togal-Tablette. Neben uns befindet sich eine Telefonzelle von der aus wir in Hamburg anrufen und einen Lagebericht abgeben. Petra war natürlich mal wieder nicht zu sprechen! Nun, in Niendorf erreiche ich dann Matthias. Nach etwa einer Stunde, gegen 19:00 Uhr, geht die Fahrt weiter. Aus Bodenteich heraus führt der Weg dann wieder über den Elbe-Seitenkanal. Auf einem Brückenträger findet sich ein Schild mit dem Hinweis, daß ab hier eine andere Wegführung als im Führer beschrieben eingerichtet wurde. Auch von dieser Brücke ist auf beiden Seiten weit und breit kein Schiff zu sehen, wozu soll dieser Kanal nur gut sein?


Kurze Zeit später ist das Dörfchen Lüder erreicht. Im vor uns liegenden Waldgebiet soll unser heutiger Lagerplatz sein. Um 19:45 Uhr steigen wir zum letzten Mal von unseren Rädern, der Platz wäre auch nicht schlecht - wenn nur die Mücken nicht wären! Hätte man sich natürlich denken können, das Gebiet heißt ja auch Schweimker Moor. Schon während des Abladens und dem anschließenden Zeltaufbau erhält jeder seine ersten Stiche. Das kann ja heiter werden! Warmes Abendessen fällt aus, die Verfolger zwingen uns ins Zelt. Da aber unser größter Hunger bereits in Bodenteich gestillt wurde, genügen uns die Knäckebrote. Trotz aller Bemühungen dringen immer wieder Mücken in das Zeltinnere. Es ist heiß im Zelt. Wenn wir es gänzlich schließen, würden wir in unserem eigenen Mief ersticken. Kurz vor 21:00 Uhr muß ich zu allem Überfluß auch noch einen Spatengang machen. Als ich wieder zurückkomme, schwitze ich wieder aus allen Poren. Noch Stunden (?) wälze ich mich im Schweiß hin und her. In den Schlafsack hineinzukriechen ist unmöglich! Erst nach langer, langer Zeit liege ich einigermaßen bequem und schlafe dann endlich ein.


Der Tacho zeigt für den zweiten Tag folgende Daten :


Zeit (Brutto) = 09:10 - 19:45 = 10:35 Stunden
(Netto) = = 6:00 "
Fahrstrecke = = 65 km
øGeschw. = = 10,8 "
Gesamtstrecke = = 123 "



3.Tag, Dienstag 09.05.1989

Trotz der wenig entspannenden Nacht stehen wir bereits um 8:05 Uhr auf. Die Sonne scheint und es ist angenehm kühl. Das scheint aber die Mücken nicht zu stören. Die Plage ist wieder groß. Es ist keine Frage, ein Frühstück hier ist völlig unmöglich. Sofortiger Aufbruch ist die einzige Rettung. Obwohl wir uns beeilen dauert alles seine Zeit; erst 8:55 Uhr geht es los. Um den etwas mühsamen Weg durch das Gestrüpp zurück zum Weg zu umgehen, brechen wir zum dicht neben uns liegenden Feldweg durch. Auf dem nächsten Querweg soll es dann wieder hinüber zum Wanderweg gehen! Doch dies erweist sich bald als Irrglaube! Immer tiefer verlaufen wir uns im Schweimker Moor. Wir verlassen den Feldweg und wollen hinüberqueren. Wären wir doch lieber zurückgefahren! Nun geht es durch sumpfige Wiesen und matschige Wege. Die Schuhe sacken immer tiefer ein. Mehrmals müssen wir die Räder über Wassergräben hinwegheben. Was ist nur mit meinem Tacho los? Obwohl diese Plackerei nun schon eine gute Dreiviertelstunde andauert, zeigt er nur eine Wegstrecke von 200m an. Nach etwa einer Stunde treffen wir dann unvermittelt auf ein Kreuz. Dies muß aber eine alte Markierung sein. Langsam entspannt sich nun die Lage. Die Wege werden jetzt etwas vertrauenerweckender. Zu allem Überfluß kommt uns plötzlich ein Kübelwagen der Bundeswehr entgegengeschaukelt. Wenige Minuten später ist es dann geschafft; vor uns liegt wieder offenes Gelände und feste Wege. Nachdem dann auch noch der morgendliche Spatengang recht bequem erledigt werden konnte, ist die Welt nun wieder in Ordnung. Ja, jetzt fühlen wir uns besser! Die Sonne lacht und es ist blauer Himmel. In flotter Fahrt sind dann schnell Wiersdorf und Steimke erreicht. In Hankensbüttel findet sich schnell ein Lebensmittelladen. Gleich gegenüber im Kirchgarten machen wir eine ausgedehnte und gemütliche Frühstücksrast von 10:20 - 11:10 Uhr. Am Bahnhof vorbei, ist nach wenigen Minuten Emmen erreicht (natürlich nicht "unser" Emmen!). Hinter den Häusern beginnt das "Erdölgebiet". Wir sind etwas verwirrt und fragen uns, ob wir nun immer noch auf der alten oder schon wieder auf der neuen Wegführung sind. Beschreibung und Skizzen im Führer weichen doch öfters von der tatsächlichen Wegführung ab. Nachdem Oerrel erreicht ist, folgen wir nur noch der Wegmarkierung und beachten den Führer nicht mehr! Im Zickzack führt der Weg nun teilweise durch Heidegelände in Richtung Wahrenholz. Zur Mittagszeit, um 12:40 Uhr, liegt vor uns am Wegesrand plötzlich ein großer "Hermann-Löns-Stein". Machen hier in gleißendem Sonnenschein und ziemlicher Hitze eine Kurzrast bis 12:55 Uhr. Leider ist der Himmel nicht mehr so schön blau. Habe jetzt Oberschenkel und meine Arme dick mit Sonnencreme eingerieben; hoffentlich nicht zu spät! Andy fährt immer noch mit langer Hose und Pulli über dem Hemd. Das könnte ich beim besten Willen nicht aushalten!


Etwa 13:15 Uhr ist dann Wahrenholz erreicht. Auch dies ist, wie schon Hankensbüttel wieder ein größerer Ort. Die Straßen und Fußwege sind in der Mittagsglut allerdings leergefegt; der Ort wirkt sehr verlassen. Andreas geht in einem Gasthof gegenüber der Kirche auf Klo und besorgt uns anschließend ein Eis. Waren wir auf der freien Strecke oft vom starken Wind gebremst worden, sind wir jetzt davor geschützt und die Sonne brennt hier vor dem Gasthof mit aller Kraft auf uns nieder. Bis nach Gifhorn sind es noch 18 km. Das Eis ist schnell verputzt. Da es hier nicht sonderlich gemütlich ist, soll die Mittagsrast noch aufgeschoben werden. Kurz nach 13:30 Uhr geht's weiter.


Genau eine Stunde später sitzen wir am Flüßchen Ise, gegenüber dem Ausflugslokal "Jägerhof" am Ortseingang von Gifhorn. Die Strecke von Wahrenholz hierher führte der Wanderweg neben der Landstraße entlang. Trotz der Fahrräder eine nervige Strecke! Nicht nur, daß der ständig neben uns brausende Autoverkehr für Mißstimmung sorgte, auch der nicht nachlassende Gegenwind aus Südwesten ließ unsere Beine erlahmen. Die Landschaft hat sich ab gestern Nachmittag stetig gewandelt. Waren bis Schnega noch endlose Wälder vorherrschend, kamen dann Gebiete mit endlosen Feldern, heute sind fast immer Wiesen und Moorgebiete um uns herum. Felder und Wälder sind nur noch selten anzutreffen. Auch hier ist es wieder windgeschützt; in gleißender Sonne machen wir nun endlich unsere wohlverdiente Mittagsrast am Rande eines großen, geschotterten Parkplatzes. Leider gibt es hier keinen Steg. Zu gern würden man sich nach der anstrengenden Fahrstrecke mal die Füße kühlen. Auf der anderen Seite des Flüßchens stehen in einiger Entfernung 4 große Windmühlen, eine davon dreht sich sogar. Sollte das ein Museumsdorf sein? Frisch gestärkt brechen wir schon nach einer halben Stunde um 15:00 Uhr auf. Am Windmühlenpark und danach am Schloß Gifhorn vorbei gelangen wir in den Ort und haben schnell die Fußgängerzone erreicht. In einem Eiskaffee genehmigen sich die beiden ausgedorrten Radler einen schönen Eisbecher! Jetzt lassen wir uns mal ein wenig Zeit und genießen es in einem bequemen Stuhl zu sitzen. Die Getränkevorräte werden aufgefüllt und auch die speckigen Hände mal wieder gründlich gesäubert. Erst um 16:00 Uhr besteigen wir wieder unsere getreuen Räder.


Das Radeln durch die städtischen Straßen ist wiederum nicht besonders anregend. Dummerweise verlieren wir das Kreuz 2x aus den Augen. Aber auch dieser Ort liegt dann bald hinter uns. Auf einem asphaltierten Feldweg brausen unsere Räder mit uns gen Osten in Richtung Fallersleben. Bald darauf treffen wir auch endlich wieder unseren Wanderweg. Kurz nach der Überquerung des Allerkanals ist der Tankum-See erreicht. Im Sommer ist hier sicherlich die Hölle los. Noch größer als der Öjendorfer See. Am Westufer finden sich Hotel, Gaststätten, Bootsverleiher etc. Rund um den See verläuft ein Promenadenweg. Rings um uns Liegewiesen für die Badenden. Als wir den See halb umfahren haben und kaum noch Spaziergänger zu sehen sind, halten wir an. Andreas will sich die Füße waschen; ich rate allerdings zu einer Ganzwäsche und anschließendem Wäschewechsel. Das Wasser ist furchtbar kalt! Trotzdem steigen wir bis zu den Knien hinein. Sogar die Haare werden gewaschen. Um die Seife abzubekommen tauche ich dann kurz unter. Mir bleibt fast das Herz stehen. Jetzt aber raus und abtrocknen! Mit der neuen Unterwäsche und Flanellhemd fühlt man sich wie neugeboren! Die Sonne scheint immer noch wunderbar. Um 17:30 Uhr geht's dann endlich weiter. Direkt hinter dem See führt der Weg unter dem Elbe-Seitenkanal hindurch. Jetzt ist auch die Entstehung des riesigen Tankum-Sees geklärt. Hier wurde der Sandabbau für den Damm des Kanals betrieben!


Nun führt unsere Strecke durch das Naturschutzgebiet "Barnbruch". Die Wege sind wunderbar zu befahren. Entspannt radeln wir in der Abendsonne dahin. Während der Umrundung des "Ilkerbruchs" können wir weit im Osten das VW-Werk sehen. Hier kurze Rast um 18:15 Uhr. Vorhin haben ich ganz vergessen meine Fingernägel zu schneiden, also wir dies gleich hier und jetzt erledigt! Nur eine viertel Stunde später ist der Mittellandkanal bei der Schleuse Sülfeld erreicht. Die Schiffe müssen hier einen ziemlichen Höhenunterschied bewältigen. Entsprechend groß sind die Schleusenanlagen mit den umliegenden Speicherbecken. Um diese Tageszeit ist hier allerdings kein Betrieb. Verlassen und still liegt alles in der Abendsonne. Auf der anderen Seite des Kanals findet sich zum Glück eine Telefonzelle. Andreas gibt in Niendorf einen ausführlichen Lagebericht ab. Nun müssen wir langsam an unseren Nachtlagerplatz denken. Weiter führt unser Weg durch weite Felder in Richtung Süden. Wieder wandelt sich der Landschaftscharakter. Bei Brunsrode liegt wieder ein größeres Waldgebiet. Hier wollen wir Lager beziehen. Im Wald wird es jetzt schon langsam düster. Im Gebiet kurz hinter Groß Brunsrode haben wir dann schnell ein Plätzchen gefunden und wollen schon das Lager aufbauen, als ich in der Nähe etwas blitzen sehe. Vorsichtshalber schaue ich mal nach; ich habe mich nicht getäuscht: ein Auto steht am Rande eines Waldweges! In einiger Entfernung schleicht ein waidgerecht angezogener Mann vor mir durch das Unterholz. Obwohl es schon kurz vor 20:00 Uhr ist müssen wir weiter. Lieber nichts riskieren! Nach etwa zehn Minuten Fahrt ist dann aber eine mindestens ebenso gute Stelle gefunden. Die abendliche Lagerprozedur beginnt. Während ich das Zelt aufbaue macht Andy die "Jokisch-Pfanne" heiß. Sie schmeckt wieder köstlich und vor allem schön scharf. Unser ausgiebiges Abendbrot ist erst um 21:00 Uhr beendet. Nach so einem anstrengenden Tag muß dann aber auch mal ein gemütliches Essen sein! Leider wird unser Wohlbefinden auch hier wieder durch Myriaden von Mücken empfindlich gestört. Während ich diese Zeilen in mein Notizbüchlein schreibe muß ich unablässig um mich hauen. Um 21:15 Uhr sind wir beide im Zelt verschwunden. Heute war wieder bis zuletzt schönstes Wetter (abgesehen von dem Gegenwind!). Was will man mehr?


Der Tacho zeigt für den dritten Tag folgende Daten :

Zeit (Brutto) = 08:55 - 20:10 = 11:15 Stunden
(Netto) = = 6:15 "
Fahrstrecke = = 79 km
øGeschw. = = 12,5 "
Gesamtstrecke = = 202 "



4.Tag, Mittwoch 10.05.1989

Gestern Abend haben wir noch eine ganze Weile Musik von BFBS gehört. Im Zelt wurde es, nachdem die meisten Mücken erschlagen waren, dann doch noch recht gemütlich. Trotz des anstrengenden Tages war der Zapfenstreich erst etwa 22:30 Uhr.


Am frühen Morgen wache ich durch unangenehme Kühle auf, muß mich ganz in den Schlafsack hineinwälzen und ihn bis oben schließen. Als wir dann beide endgültig aufwachen, sind wir dann doch erschrocken - es ist bereits 9:10 Uhr! Na, da kommen wir aber heute spät los. Der Lagerabbau erfolgt in ziemlicher Eile, aber ohne Mücken. Auch mal ganz angenehm, nicht immer um sich hauen zu müssen. Nach 45 Minuten, also um 9:55 Uhr, ist alles fertig. Das Frühstück soll erst später erfolgen. Auf geht es nach Wendhausen. Das Wetter hat stark nachgelassen. Der Himmel ist eine graue Suppe, die Sonne scheint nicht. Dadurch ist es natürlich auch recht kühl. Trotzdem will ich meine Bekleidung vorerst nicht ändern.


Leicht bergab fahren wir, meist ohne zu treten, hinüber nach Wendhausen. Der Ort wirkt bei dem unfreundlichen Wetter nicht besonders aufreizend. Ohne Aufenthalt geht es unter der Autobahn hindurch weiter nach Essehof. Es ist jetzt empfindlich kühl. Sollte ich nicht doch lieber meine langen Hosen anziehen? Haben übrigens kurz vor Wendhausen unsere Wegmarkierung, das weiße Kreuz, das wir gestern Abend bei Brunsrode verlassen hatten, wiedergefunden. Hinter Essehof führt uns der Weg, vorbei an einem romantischen Forsthaus, in das Hordorfer Holz (fast nur Laubwald). Hier muß ich schon wieder abprotzen, danach läßt das Frieren etwas nach. Bald gelangen wir in die Nähe einer ruhigen Straße die zum Ort Schapen führt. Wir beschließen abzukürzen. Kurz hinter dem Ort erfolgt auf einer Banke von 11:10 bis 11:35 Uhr unsere verspätete Frühstückrast. Während des Sitzens wird es wieder unangenehm kalt.


Schon eine Stunde später machen wir an einem kleinen Bach die nächste Rast. Erneut sind wir vom Weg abgekommen! Wem soll man denn nun folgen - dem Führer oder den Wegmarkierungen? Zuletzt hatten wir uns für die Markierungen entschieden, d.h. sind nicht abgebogen, weil kein Zeichen vorhanden war. In der Folge mußten wir endlos neben dem kanalisierten Bach Wabe entlangfahren. Ein Übersetzen ist auch für uns unmöglich. Sitzen nun auf einer Banke kurz vor Salzdahlum. Habe den Anorak, den ich kurz nach der Frühstücksrast anziehen mußte, wieder abgelegt. Vor uns liegt jetzt in noch einiger Entfernung in südlicher Richtung der Oderwald. Sieht von hier aus wie der Deister. Die Sonne schafft es leider immer noch nicht! Es kann jetzt nicht mehr allzu weit bis nach Wolfenbüttel sein. Es wird auch Zeit, meinen letzten Schluck Kakao habe ich vor über 3 Stunden getrunken.


Auf einigen Umwegen erreichen wir dann bald Salzdahlum. Ohne Aufenthalt radeln wir sofort weiter nach Wolfenbüttel. Der Wanderweg ist jetzt weit von uns entfernt. Die vor uns liegende Landstraße führt schnurgerade in einer langen Steigung auf eine Kuppe herauf. Unsere Beine schmerzen! Oben angekommen, erreichen wir die ersten Ausläufer der Stadt Wolfenbüttel. Zuerst geht es an einer Kaserne (britische Truppen) entlang, dann endlos durch Wohngebiete. Plötzlich sind wir dann im Innenstadtbereich angelangt. Nur durch Glück stoßen wir auf die Fußgängerzone. Sehr romantisch! Fast alles Fachwerkhäuser, wie schon in Hameln, Lemgo oder Detmoldt. Mutti hätte hier ihre wahre Freude. Nachdem unsere Getränkevorräte aufgefrischt sind, gibt's beim Fleischer DÜE einen warmen Imbiß: Zwei Frikadellen und Rohkostsalat. Ohne großen Eifer verlassen wir dann gegen 14:25 Uhr die Fußgängerzone. Mir unseren vollen Bäuchen ist das Radeln ein quälende Angelegenheit. Vorbei am Schloß und dem Bahnhof verlassen wir auf leicht ansteigendem Weg die Stadt Wolfenbüttel. Schon nach einer ¼ Stunde stehen wir am Rande des Oderwaldes.


Wie wir hier feststellen, ist der Oderwald gar kein Höhenzug; was wir vorhin gesehen hatten ist der Elm! Um 14:40 Uhr geht es hinein in den ziemlich dunklen Wald. Meist unter mächtigen Laubbäumen geht es endlos über Waldpfade und befestigte Forstwege in Richtung Süden. Die Strecke erscheint uns trotz der eigentlich gut zu befahrenden Wege endlos. Nach fast 90 Minuten ununterbrochener Fahrt ist etwa 5-6 km vor Altenrode eine Rast angesagt. Wir sitzen auf mächtigen Buchenstämmen am Rande des Forstweges. Hinter uns ein Meer von kleinen weißen Blumen. Se­hen aus wie Buschwindröschen. Vielleicht kann Mutti auf dem Foto näheres Erkennen? Angeregt durch den intensiven Kräutergeruch stärken wir uns mit Skorpas und Tartar - eine Delikatesse! Weiterfahrt dann etwa um 16:20 Uhr. In einer großen Schleife, aber trotzdem relativ schnell verlassen wir nun den Oderwald. Bei Altenrode geht es auf einer Landstraße in Serpentinen zackig hinauf, kurz darauf eröffnet sich ein (allerdings nur bei klarem Wetter) herrlicher Blick gen Süden zum Harz hinüber. Leider ist es heute dunstig und immer noch grau in grau.


Von nun an geht es meist bergab, dadurch schaffen wir natürlich weite Strecken auf bequeme Weise. Trotzdem ist es völlig illusorisch heute noch vor 18:00 Uhr in Goslar anzukommen. Sogar nach Hahndorf wird es wohl knapp werden. Unsere heutige Planung ist doch etwas blauäugig gewesen! Tatsächlich, die Zeit rinnt uns davon. In Groß-Döhren, dem letzten Ort vor Hahndorf, findet sich trotz hektischer Suche kein Laden. Es ist jetzt 17:45 Uhr. Bis nach Hahndorf sind es noch etwa 5-6 km und ein unangenehmer Paßaufstieg. Obwohl wir jetzt den direkten Weg auf der Landstraße fahren und nicht den abseits liegenden Wanderweg benutzen schaffen wir es nicht rechtzeitig. Mit schmerzenden Beinen und ziemlich durchgeschwitzt erreichen wir um 18:10 Uhr das Örtchen Hahndorf. Ein Lebensmittelgeschäft können wir nicht sichten, dafür aber einen kleinen Bäckerladen in dem gerade die Tageskasse gezählt wird. Frische Milch gibt es nicht, aber in der Not tut es H-Kakao auch. Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt. Um die Ecke befindet sich das Gasthaus "Zur Eiche". Um uns für die heutigen Strapazen (bergauf/bergab) zu entschädigen, beschließen wir hier einzukehren. Ich bestelle mir Spargel und Schinken, Andreas einen Spieß mit drei kleinen Steaks. Dazu nimmt jeder fürs Erste noch einen großen Spezi. Wie Autogrammkarten und Zeitungsausschnitte verkünden haben vor uns schon eine ganze Reihe von Bekannten Leuten aus Film, Funk und Fernsehen hier gespeist. Nun - lassen wir uns überraschen. Die Vorsuppe ist schon mal sehr gutschmeckend. Nach einer guten Dreiviertelstunde, gegen 19:30 Uhr, ist die Schlacht geschlagen. Spargel und Schinken und zwei Spezies bzw. der Spieß und drei Spezies sind verdrückt. Nun aber schnell bezahlen und auf Lagersuche gehen!


Ehe wir den Ort verlassen, rufe ich noch einmal in Hamburg an. Ob Petra wohl zu Hause ist? Sie ist, erst einmal werde ich angemeckert. Warum habe ich am Montag morgen nicht angerufen? Das es im Wald um den Hohen Mechtin herum keine Telefonzelle gab glaubt sie mir wohl doch nicht, also sage ich lieber gar nichts. Wir möchten morgen ab 15:00 Uhr in Altenau abgeholt werden, Mutti und Vati wollen uns abholen. Kurz nach 20:00 Uhr rollen unsere Fahrräder dann endgültig aus dem Ort. Mit prall gefüllten Bäuchen und bereits erlahmten Muskeln radeln wir langsam los. Direkt hinter dem Ortsausgang schlagen wir uns nach links in den Wald. Die Suche gestaltet sich etwas schwierig, aber nach 20 Minuten ist es dann geschafft. Kurz vor 21:00 Uhr liegen wir bereits im Zelt und hören noch etwas Musik.


Der Tacho zeigt für den vierten Tag folgende Daten :

Zeit (Brutto) = 10:00 - 20:20 = 10:20 Stunden
(Netto) = = 6:00 "
Fahrstrecke = = 69 km
øGeschw. = = 11,1 "
Gesamtstrecke = = 271 "



5.Tag, Donnerstag 11.05.1989

Haben im Rausch am Abend und in der Nacht alle Getränkevorräte ausgezecht. Zur Strafe mußte ich dann auch 2x in der Nacht aus dem Zelt heraus. Der Platz ist leider doch ziemlich schief, ein ewiges herumgerutsche im Zelt war die Folge. Obwohl wir am Morgen schon kurz nach 7:00 Uhr zum Pinkeln herausmüssen, schlafen wir dann doch noch bis 9:35 Uhr. Das wird ja immer später morgens! Die Sonne scheint wieder, dann haben wir ja wohl an unserem letzten Tag noch einmal schönes Wetter! Nur mein belegter Hals macht mir etwas zu schaffen. Erneut muß ich gehörig abprotzen. Andy hat es immer noch nicht geschafft?! Danach und nach dem Zähneputzen geht es mir wieder gut. Aufbruch in bester Laune um 10:35 Uhr.


Nach einer Stunde sind wir in flotter Fahrt in der Innenstadt von Goslar angekommen. Durch die Fußgängerzonen geht es bis zur Kaiserpfalz. Die Innenstadt ist, wie bereits von zahlreichen früheren Besuchen bekannt, ja wirklich sehr schön. Auch bei der Pfalz, wo der Wanderweg lt. Führer entlanggehen soll, findet sich keine Markierung. Mit der Tourenbeschreibung läßt sich hier in der Stadt nichts anfangen. Ziemlich wütend fahren wir auf gut Glück weiter. Zwischenzeitlich findet sich ein einsames Kreuz, aber das hilft uns nicht weiter. Nachdem wir einen großen Neubaukomplex umrundet haben (TH oder FH) stoßen wir auf ein Hinweisschild, dem wir zumindest entnehmen können, daß es auf dem jetzigen Weg zum Okertal gelangen. Daneben dann eine Tafel vom Europawanderweg Niederlande-Harz. Das Verwirrspiel ist perfekt! Nach einer kurzen Schokoladenpause fahren wir weiter. Die letzten Häuser hinter uns lassend, führt der gut befestigte Weg nun hinein in den Harz. Wenige Minuten später löst sich dann alles in Wohlgefallen auf, plötzlich sind die Kreuze wieder da und eine Tafel bestätigt, daß wir auf dem E1 radeln.


Auf einer wunderbaren Straße geht es nun, das Gelmke- und Ammental kreuzend, zum Waldhaus im Okertal. Meist geht es bergab, wir stehen bereits 12:20 Uhr vor dem Gasthaus Waldhaus. Plötzlich gibt es einen dumpfen Knall an meinem Rad. Ohne zu überlegen schaue ich mir die Speichen an. Richtig, am Hinterrad ist der Kopf einer Speiche abgebrochen. Hoffentlich bleibt das die einzige! Bei der nächsten Tour also unbedingt Reservespeichen mitnehmen!


Eigentlich sollte der Weg jetzt wieder in den Wald hineinführen. Ein schlecht einsehbares Schild sperrt allerdings zur Zeit den Weg, da mehrere Brücken im Verlaufe des Wanderweges baufällig oder sogar schon eingestürzt sind. Als Ausweichstrecke wird auf die "Alte Harzstraße" verwiesen. Auf der anderen Seite der Bundesstraße wird dies zwar auf einem anderen Schild bestätigt, aber nach einer kurzen Bogenfahrt befinden wir uns wieder auf der Bundesstraße. Nun ja, dann fahren wir halt hier entlang. Nach kurzer Zeit tauchen auf der rechten Seite Klippen auf. Bei den Adlerklippen können wir sogar Kletterer beobachten. Während wir hier zuschauen (ein schmaler Wicht schiebt sich elegant ein abdrängendes Wandstück hinauf) fängt es plötzlich an zu regnen. Schnell wird der Regen immer mehr, so ein Mist! Ohne Poncho geht es nun nicht mehr. Im strömenden Regen erreichen wir den Romkerhaller Wasserfall. Kein Unterstand, also gleich weiter. Die meiste Zeit schieben wir jetzt unser Rad, aber das macht ja nichts. Ohne besondere Anstrengung erreichen wir schließlich die Staumauer der Okertalsperre. Immer noch regnet in Strömen. Am einsamen Imbiß verdrücken wir erst einmal jeder eine (gut schmeckende) Bockwurst. Andy bekommt hier auch endlich Gelegenheit mal so richtig entspannt zu prötteln. Obwohl der Regen zwischendurch mal etwas nachgelassen hat, scheint es sich heute einzuregnen. Nun ja, das letzte Stück des langen Weges ist sicher noch zu schaffen.


Nachdem einer langen Verschnaufpause fahren wir ohne besondere Steigungen im wilden Regen am Stausee entlang weiter. Nach etwa einer halben Stunde ist gegen 14:15 Uhr dann Altenau erreicht. Wenige Minuten nachdem wir den verabredeten Treffpunkt angesteuert haben sind auch Mutti und Vati zur Stelle. Im Regen werden das Gepäck im Auto verstaut und die Räder auf dem Dach befestigt. Als kleine Stärkung für uns und die Abholer spendiere ich in "Moock's Hotel" noch Kaffee und Kuchen. Etwa 15:30 Uhr rollt mein Kadett dann langsam vom Parkplatz. Immer noch im strömenden Regen geht's jetzt gemütlich zurück nach Hamburg.


Der Tacho zeigt für den fünften Tag folgende Daten :

Zeit (Brutto) = 10:35 - 14:15 = 3:40 Stunden
(Netto) = = 2:30 "
Fahrstrecke = = 26 km
øGeschw. = = 10,0 "
Gesamtstrecke = = 297 "

Für die gesamte Tour ergeben sich pro Tag folgende Durchschnittswerte :

øZeit (Brutto) = 8:40 Stunden
(Netto) = 5:10 "
øFahrstrecke = 59 km
øGeschw. = 11,4 "


Du bist Leser Nummer seit dem 23. Juni 1998

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