Radtour 23.-27.Mai 1994 Altenau-Eschwege

Montag, 1.Tag

Der Tag beginnt mit Läuten des Weckers um 07:00 Uhr. Das Wetter zeigt sich zunächst vielversprechend sonnig mit ein paar Wolken, der Boden ist aber noch vom letzten Regen naß. Das Frühstück und die üblichen letzten Vorbereitungen folgen, und 08:57 Uhr setzt pünktlich schwerer Regen ein. Tina's Vater ist mit Spiegelreflex-Kamera zur „Dokumentation“ der Abfahrt erschienen. Zum Glück kommen „die Niendorfer“ aber erst 09:10 Uhr, der Regen hat sich bereits wieder verabschiedet. Um 09:35 Uhr Aufbruch. Eine „Raucherpause“ wird auf einem Rastplatz 11:20 Uhr vorgenommen, die Schrauben der Radträger sitzen alle bombenfest. Kurze Zeit später setzt wieder schwerer Regen ein. Bei näherer Betrachtung der Lenkertasche fällt mir auf, daß eine wichtige Naht aufgerippelt ist - bei einer zukünftigen Tour muß die Ausrüstung also noch ernsthafter unter die Lupe genommen werden! 12:45 Uhr wird auf einem Parkplatz vor Altenau die Mittagsrast gehalten, u.a. mit Nudelsalat von Tina. Es nieselt permanent, was sich dämpfend auf die Stimmung auswirkt. Der Tourenausgangspunkt am Roseweg in Altenau wird sofort gefunden, bei jetzt nachlassendem Regen werden die Räder klargemacht. Mutti kann die Lenkertasche noch mit Hilfe des lächerlichen Not-Nähzeugs, welches sich als fast vollkommen unbrauchbar erweist, reparieren. Auch die Reißverschlüsse an Andy's Packtaschen machen Probleme. 14:30 Uhr setzen sich unsere Räder dann in Bewegung; der endgültige Aufbruch geht immer etwas zögerlich vonstatten, da das bequeme Auto und die umsorgenden Eltern und „Hinbringer“ nun verlassen werden müssen. Nach fünf Minuten ist man dann aber geistig voll bei der Sache! Um 14:55 Uhr haben wir bereits einen km schiebenden Umweg (wie wir glauben) hinter uns - da keinerlei Markierungen mehr zu sehen waren, sind wir den mühsam erklommenen Forstweg wieder hinuntergesaust und wieder an einer kleinen Staustufe angekommen. Hier finden wir jedoch auch keine vernünftigen Hinweise und ziehen noch eine kleine „Schleife“, bis wir nach einem gerade noch rechtzeitigen Blick auf den Kompaß schließlich wieder bei der Staustufe ankommen. Nun geht es in entsprechender Laune den ursprünglichen Weg erneut schiebend bergauf. Den ganzen Kram hätten wir uns nun wirklich ersparen können! Um uns völlig fertigzumachen, setzt jetzt auch wieder Regen ein, der sich in wenigen Sekunden zu einem wahren Duschbad steigert. An einer kleinen Brücke werfe ich sofort den Poncho über mich und die Fahrrad-Packtaschen, Andy erst, nachdem die Daunenweste praktisch durchtränkt ist. Es hört nicht auf zu schütten. Schwerer Psychoterror gleich zu Beginn der Radtour! Mein Poncho erweist sich - wie schon im Berchtesgaden-Urlaub - als wasserdurchlässig; nach einigen Minuten krame ich die Regenjacke heraus und drapiere den Poncho über das gesamte Rad. Die Lenkertasche sieht aus wie ein vollgesogener Schwamm. Offensichtlich ist die Industrie entgegen aller Werbeversprechen nicht in der Lage, wirklich regendichte Sachen herzustellen. Erst bei nachlassendem Regen entdecken wir die Brücke als brauchbares Regendach. Irgendwann geht es auf breiten Forstwegen weiter durch den tropfendnassen Wald. Ringsherum gurgeln stark wasserführende Gebirgsbäche. 16:40 Uhr erreichen wir die Magdeburger Hütte an der Harzhochstraße bei der Hammersteinbaude. Hier wurde der Touristenmüll schon seit Wochen nicht mehr abgeholt: wahre Müllberge stapeln sich in und um die Hütte. Der Bergpass ist in graue Wolkenschleier gehüllt; langer Aufenthalt scheint nicht empfehlenswert. 17:00 Uhr Weiterfahrt Richtung Hanskühnenburg, die wir allerdings beim Teilungspfahl rechts oben liegenlassen (17:30 Uhr). Rauschende Asphaltabfahrten führen uns schließlich um 18:00 Uhr hinab nach Sieber, ein im waldigen Talkessel gelegenes typischen Harz-Dorf. In der Harzklause gönnen wir uns eine kurze Pause und ein Pils. Aus dem Talkessel hinaus geht's natürlich wieder um so steiler hinauf Richtung Großer Knollen (687m). Von mehreren riesigen roten Pfeilen Richtung Knollen animiert, verlassen wir den bequemen Forst-Schotterweg und quälen uns den „schlimmsten Weg aller Zeiten“ hinauf: wochenlange Regenfälle haben hier die steile Trasse in einen einzigen Morast aus Schlamm und Steinen verwandelt. Hier dürften sogar die Unimogs der Waldarbeiter Schwierigkeiten haben. Der Schweiß läuft uns in Strömen herunter. Um 19:15 Uhr sitzen wir völlig fertig in der Otto-Hermann-Hütte bei km-Stand 23,4 auf der Knollenstraße. Dampf steigt von Andy's Rücken empor. Um 19:55 Uhr geht's weiter; die Baude ist zwar relativ gut, aber für meinen Geschmack ist es doch noch etwas zu früh und zu hell zum Schlafen. Hinter den Hügeln taucht jetzt sogar die Sonne auf, allerdings verhindert unser geistiger Zustand die gebührende Anteilnahme. Schneller als erhofft, nämlich 5 Minuten später, taucht eine „Köhlerhütte“ am Wegesrand auf, eine spitze, zeltförmige Hütte mit Feuerstelle, Bänken und Rauchabzug. Sehr verlockend, aber wir können uns nicht einigen und fahren noch einige hundert Meter weiter, bis der von Tina bei der Abfahrt gefundene Glückspfennig nach dreimaligem Werfen die Entscheidung bringt: zurück zur „Köhlerhütte“! Sofort entzünden wir mit dem reichlich herumliegenden trockenen Holz ein kleines Feuer, welches wohlige Wärme verbreitet. Poncho und andere triefendnasse Ausrüstungsgegenstände werden zum trocknen (und „räuchern“) ausgebreitet und über die Bänke gehängt. Der Wirt von der Knollenhütte, mit seinem Jeep wahrscheinlich ins Tal unterwegs, hält mit uns einen kurzen Klönschnack. 22:15 Uhr hat das Herumgepacke ein Ende, und wir betten uns in die Schlafsäcke. Die Luftmatratze liegt auf einer schmalen Banke, das Gesicht zum Eingang der völlig verqualmten Hütte gewandt. Trotz Ablöschens mit kostbarem Trinkwasser flackert das Feuer mitten in der Nacht zweimal wieder auf. Beim zweiten Mal werden Nägel mit Köpfen gemacht: Sämtliche Scheite werden nach draußen in das nasse Gras verfrachtet, die Restglut wird mit Sand zugeschaufelt. Mittlerweile schlägt die Uhr fast 02:00 Uhr.


Fahrstrecke 25,6 km

Nettofahrzeit 2:50 Std.

Geschwindigkeit 9 km/h

Gesamtstrecke 25,6 km


Dienstag, 2.Tag

Gegen 08:10 Uhr stehen wir leicht gerädert auf. Zunächst scheint die Sonne, aber es ist stark diesig. Da die Getränke für das Ablöschen des Feuers verbraucht wurden, ist sofortiger Aufbruch ohne Frühstück geplant. Um 09:00 Uhr Abmarsch Richtung Großer Knollen, den wir allerdings bei der Wegabzweigung links liegen lassen, um uns den quälenden Aufstieg zu ersparen. Es folgt eine sausende Abfahrt bis zur Brandkopfquelle, wo um 09:25 Uhr bei km 5,5 eine kurze Rast mit Spatengang und Waschung an der Quelle bis 09:45 Uhr abgehalten wird. Eine dreiviertel Stunde später radeln wir nach einem Umweg bergauf über die Göttinger Hütte und die Burgruine Scharzfeld - die wir beide allerdings aufgrund ständig abzweigender Wege und verwirrender Beschilderung nie zu Gesicht bekommen haben - am Bahnhof Scharzfeld vorbei in den ehemaligen Grenzort Barbis (10:30 Uhr). Dies ist ein Ort von der Sorte, die man am liebsten ohne Aufenthalt sofort wieder verläßt, denn die lange Hauptstraße wird ohne Pause von dröhnenden und stinkenden Lkws passiert. Ein zur Versorgung angesteuerter Laden wird aufgrund des inakzeptablen Warenangebots sofort wieder verlassen. Bei einem Bäcker werden Gebäck und Kaffee als Frühstück verzehrt. Kurz nach 11 Uhr verlassen wir diesen unangenehmen Ort und finden kurz danach das X, unsere „heilige“ Wegmarkierung, wieder. Dem uns auf allen Touren begleitenden Herman Löns „begegnen“ wir um 11:30 Uhr an der Herman Löns-Gedenkstätte Beberteich, einem kleinen Teich mit Dutzenden laut quakenden Fröschen bzw. Kröten, die angekündigte Herman Löns-Eiche wird nicht gesichtet. Auf überwiegend angenehmen, asphaltierten Wegen gelangen wir 12:20 Uhr zur Rhumequelle bei Rhumspringe. Hier wird ein Eis genossen und der Film gewechselt. Bei der Rhumequelle handelt es sich um eine der größten europäischen Quellen; ein Schild am Kiosk informiert über die wichtigsten Daten: 500 m² Fläche, 10 m Tiefe, 10.000 m³ Gesamtinhalt, bis zu 5000 Liter Wasserausstoß pro Sekunde (!), 8-9ºC Wassertemperatur im Sommer und im Winter. Die Quelle wird aus unterirdischen Wasseradern des Harzes gespeist. Aber auch dieser schöne Ort, jetzt im Sonnenschein, muß schließlich 12:40 Uhr wieder verlassen werden. 13:30 Uhr erreichen wir bergauf-bergab, den Weg mehr erratend als an den Kreuzen orientiert, das Ausflugsrestaurant Wirtshaus Hübental mit großem Garten am Rande des Duderstädter Stadtwaldes. Andy bestellt irrtümlich statt des gewünschten Spezis für mich ein Duckstein - nun ja, das schmeckt natürlich auch nicht schlecht! Wetter und Gelegenheit verführen uns zum Essen (Putenbrust, Kroketten, Salat, Vorsuppe etc.) - man gönnt sich ja sonst nichts, und schließlich handelt es sich bei unserer Veranstaltung um Urlaub, auch wenn dies meist nicht so aussieht. Der km-Stand ist mit 34,3 zwar kein Rekord, aber gegenüber dem gestrigen Tage doch sehr ermutigend. Nach einer Stunde gutgelauntes Anrollen Richtung Duderstadt, wo wir schon 15:15 Uhr eintreffen. Der Weg führte uns u.a. über den Rücken der Tettelwarte, wo wir wer weiß was vermutet, aber nur ein Wasserwerk angetroffen hatten. Wie schon in den vielen anderen auf solchen Wanderungen durchquerten oder gestreiften Orten fällt die große Anzahl Fachwerkbauten auf. Beim Plusmarkt vor der großen Kirche wird ein Versorgungskauf durchgeführt. Der Stadtrummel geht uns etwas auf den Geist, so daß es baldigst weitergeht. Hinter Duderstadt führt uns ein völlig aufgeweichter Lehmweg auf den Euzenberg (286m). Hier in der Nähe soll früher die Ziegelei Nesselröden gewesen sein; sie wird aber nicht gesichtet, sondern lediglich das den Ziegeln zugrunde liegende Material zwischen Reifen und Schutzblech, Bremsen und Kette. Andy muß mit Stöcken und Ästen das Zeug herauskratzen, weil ein Weiterschieben aufgrund blockierender Reifen unmöglich geworden ist. Diesmal ist mein Drahtesel noch nicht so stark betroffen. Der Cyclomaster zeigt 45,8 gefahrene km. Durch Äcker und Wiesen geht es in den Desingeröder Wald, dem als Bonbon eine rasende Asphalt-Abfahrt nach Himmigerode folgt. Hier fliegen uns die Dreckreste aus den Reifen regelrecht um die Ohren. Zum Glück spielt heute das Wetter mit: um 17:30 Uhr ist es immer noch sonnig und warm, 54 km sind zurückgelegt. Eine Rast gönnen wir uns von 18:35-19:00 Uhr kurz hinter der Autostraße Gr.Lengden-Mackenrode. Die Parole der zurückliegenden Stunden hieß „einige Meter zum Waldrand hoch und dann rechts...“. Da auf der gesamten Tour keine vernünftigen Läden gesichtet wurden, ist es mit der Getränkeversorgung entsprechend schlecht bestellt. Durch das Manövergelände Kerstlingeröder Feld (Betonwege, Grasflächen, hier und da Nadelbäume) hindurch geht es hinab nach Göttingen, ohne den vorgesehenen Schlenker über den Bismarckturm, da es schon 19:50 Uhr ist. Dadurch verlieren wir natürlich das Kreuz und kommen viel zu früh in den Ort hinab, wie wir später merken, nahe des Weges, der uns wieder aus Göttingen hinausführen wird. Ohne Begeisterung holen wir ein paar Snacks von McDonalds. Anschließend wird Tina angerufen. Die Suche nach dem Kreuz in der Altstadt ist schnell erfolgreich, aber wegen der fortgeschrittenen Zeit (21:00 Uhr) wird es auch höchste Zeit! An einer Tankstelle wird die Bierversorgung sichergestellt. Es geht um den Kiessee herum, durch Rosdorf, über die Autobahn A 7 und wenig später über die tief in die Landschaft eingeschnittene ICE-Bundesbahntrasse. Das hinter Göttingen beginnende Geniesel hat sich mittlerweile schon wieder zu einem ausgewachsenen Regen verdichtet. Die „letzte Rettung“ sind einige kleine Wäldchen, die in der rasch zunehmenden Dunkelheit hektisch nach geeigneten Lagerplätzen durchsucht werden. Leider sind die Waldböden hier zum Zelten weniger geeignet, aber uns bleibt ja keine große Wahl. Mittlerweile sind Kleidung und Packtaschen schon wieder gefährlich naß. Es bleibt einem hier auch wirklich nichts erspart. Ca. 22:00 Uhr finden wir eine Stelle mit lehmig-schmierigem Boden, nur spärlich mit Laub bedeckt und hier und da mit Pflanzen durchsetzt. Hektisch und dementsprechend stümperhaft versuche ich, mein Zelt aufzubauen (der letzte Gebrauch muß wohl letztes Jahr zur gleichen Zeit und Gelegenheit gewesen sein...). Das Bier von der Tankstelle wird gekippt, das Rad mit dem (durchlässigen) Poncho verhüllt und alle Sachen aus den Packtaschen werden mit ins Zelt verfrachtet. Im Zelt dauert es recht lange, bis Ordnung hergestellt und eine Art primitive Körperpflege mit Wäschewechsel durchgeführt ist, immer mit der Taschenlampe im Munde. Schwer und pausenlos prasselt es aufs Zelt.


Fahrstrecke 88,3 km

Nettofahrzeit 7:54 Std.

Geschwindigkeit 11,1 km/h

Gesamtstrecke 113,9 km


Mittwoch, 3.Tag

Der Regen setzte sich die ganze Nacht und am Morgen fort. Nachts wurde man fast jede Stunde durch den ohrenbetäubenden Lärm der ICE's geweckt, die über die nahe Strecke donnerten. Erst 09:45 Uhr kommt langsam Unruhe in den Zelten auf. In meinem Schuh kriecht irgendein Getier herum; daß ewige Nachsehen hat sich also endlich einmal gelohnt! Das Wiedereinpacken der gesamten, z.T. naß-klammen Ausrüstung nimmt natürlich zusätzlich Zeit in Anspruch. Um 11:00 Uhr herum stehe ich mit meinem Rad bereit zur Abfahrt; Andy ist noch beim Zusammenpacken des Fjällräven-Zeltes, was wie immer sehr zeitaufwendig ist. Der Sattel meines Rades ist schwammartig mit Wasser vollgesogen. Erst 11:20 Uhr brechen wir auf, und damit ist die Voraussetzung für ein erfolgreiches Vorankommen an diesem Tage bereits äußerst ungünstig. Ein richtiges Frühstück fällt wieder mal aus, ich habe lediglich im Zelt 2 „Kinder-Country“ vertilgt. Auf der Suche nach dem letzten Kreuz führt uns der Weg zunächst einige hundert Meter in die Richtung, aus der wir gestern Abend im strömenden Regen und bei beginnender Dämmerung kamen. Das Abzweig-Kreuz haben wir hier offenbar „überfahren“, aber der Umweg ist nicht der Rede wert. Eine bessere Gelegenheit zum Nächtigen hätte sich hier übrigens auch nicht ergeben. Bereits um 12:15 Uhr wird wieder eine Kurzrast abgehalten. Wir sitzen auf einer Bank an der Weggabelung Hoher Hagen / Bördel, böiger Wind kommt auf, und über den Kamm des Hohen Hagen drohen dunkle Wolken. Die letzten zwei Kilometer hinterm Vorwerk Heißental (was immer das ist...) waren auf Asphaltwegen angenehm zurückzulegen; davor quälten wir uns über vermatschte, ansteigende Schlammwege. Bei der Weiterfahrt 12:30 Uhr treffen wir eine verhängnisvolle Fehlentscheidung: während Andy lieber dem Originalweg folgen möchte, schlage ich eine kleine Ortsdurchquerung mit elegantem Straßenanstieg zum Hohen Hagen vor. Wir einigen uns auf die Kompromißlösung, weder dem Originalweg, noch der Straße zu folgen, sondern nehmen den befestigten Ackerweg geradeaus. Dieser Weg endet jedoch schnell und geht in von schwerem Ackergerät gepflügte Lehmspuren über. Innerhalb weniger Sekunden blockieren die Reifen, die Räder können nicht mehr weitergeschoben werden! Zwischen vorderem Plastik-„Schutzblech“ und Reifenmantel und an den Bremsbacken hat sich eine zentimeterdicke lehmig-tonige Sedimentschicht festgesetzt. Auch Kette, Anbauteile und Gepäck sind lehmverschmiert. Unter lautem Gefluche wird mit herumliegenden Stöcken und Ästen das Zeug soweit entfernt, das ein Weiterschieben möglich ist, doch schon nach wenigen Metern ist alles erneut dichtgesetzt. Bei diesem zähen Bodenmaterial hilft nur noch der Einsatz der eigenen Finger weiter! Als nach wenigen hundert Metern, aber mit um so größerem Zeitaufwand endlich die Fahrstraße erreicht ist, beginnt es zu nieseln. Heute ist alles verhext, wir kommen überhaupt nicht voran! Zwischendurch muß die Regenjacke rausgenestelt und übergewürgt werden; Andy fährt so weiter und riskiert erneut eine Durchtränkung der Daunenweste. Noch vor Erreichen des Bergkamms hat sich der Regen derart gesteigert, daß wir unter einer dichten Baumkrone an der Einmündung eines Feldweges Schutz suchen müssen. Hier stehen wir mindestens eine halbe Stunde tatenlos herum, verfluchen die gesamte Radtour und schwören uns, so bald oder gar nie wieder solch eine Fahrt zu starten. In der Hoffnung auf eine geöffnete Restauration auf dem Hohen Hagen (jedoch ohne Aussicht, heute noch voranzukommen) schaffen wir es irgendwie hinauf - das Café im Aussichtsturm ist jedoch geschlossen, was einen bei diesem Wetter und Wochentag nicht weiter verwundert. Stimmengeräusche im Wald lassen zunächst noch auf die im Führer erwähnte „alte Gaststätte“ hoffen, die sich aber als Kinderheim entpuppt. Die Uhr zeigt 13:55, bei leichtem Regen wird ohne Pause der Weg fortgesetzt, jetzt wieder durch den Wald und immer bergab Richtung Scheden. Hier gibt es weder einen Laden noch eine Restauration. Ab und zu lugt jetzt die Sonne hervor. Um 15:30 Uhr erreichen wir das Forsthaus Heede, etwa 3 km vor Münden. Die warme Küche ist zu unserem Leidwesen geschlossen, also müssen wir uns mit Getränken (Spezi, Kaffee) über Wasser halten. Draußen beginnt es nach kurzer Trockenphase wieder einmal zu regnen. Auf der Toilette werden Gesicht und Beine gesäubert. 16:25 Uhr bewegen wir uns weiter. In dieser Stimmung gelüstet es uns nicht nach weiteren Umwegen, so daß wir evtl. den Schlenker nach Münden vermeiden wollen, je nach Qualität der Wegmarkierungen. Wie schon in Göttingen kommen wir aber irgendwie durcheinander und gelangen um ca. 16:30 Uhr auf dem Weg nach Münden hinein, der uns wenig später wieder aus dem Ort hinausführen wird. Unsere Neugier führt uns in den alten Ortskern mit vielen alten Fachwerkhäusern. Da ich wenig Neigung verspüre, unter den Augen der glotzenden Menschen in der Fußgängerzone Fast-Food zu verschlingen, wird das heutige „Mittag-Essen“ erneut auf unbestimmte Zeit vertagt, und schon bewegen sich die Räder im Werratal Richtung Südosten vorwärts. So schön die Abfahrten zu den in Talkesseln gelegenen Ortschaften, so grausam sind die Anstiege dahinter! Nach kräfteverschlingendem Aufwärtswuchten befinden wir uns auf einem schönen Höhenweg an den steilen Hängen auf der Nordseite des Werratales. Die Sonne scheint sich jetzt langsam durchzusetzen, aber über den Bergen drohen nach wie vor dunkle Wolken. 17:30 Uhr - also für eine Übernachtung leider viel zu früh - wird eine Steinbaude mit Blick auf die Autobahn- und ICE-Hochbrücken erreicht. Eine bessere Unterkunft haben wir bisher auf keiner Tour vorgefunden. Wir können uns aber nicht recht zu irgend etwas entscheiden: anfängliche Planungen, hier tatsächlich zu übernachten, werden schließlich doch zugunsten der Weiterfahrt - trotz Regengefahr - verworfen. Ich hänge meinen Poncho, das Zelt und andere Ausrüstungsgegenstände zum Trocknen auf. Jetzt muß aber endlich etwas gegessen werden: die zweite (und letzte) mitgenommene Pfanne wird auf dem Esbitkocher warmgemacht und verschlungen. Die Getränke sind leider auch schnell erschöpft; die Aussicht auf ein kühles Bierchen im letzten Heller ist sehr verlockend, obwohl keineswegs klar ist, ob diese am Fuße der Hochbrücken gelegene Örtlichkeit überhaupt eine (geöffnete) Restauration ist. Nach dem fast eineinhalbstündigen „Organisationshalt“ geht es schließlich frisch und gestärkt weiter. Nach einer grausig steilen Abfahrt, teilweise über Treppen schiebend, „erreicht der Wanderer den Talgrund“ um 19:15 Uhr. Wir haben Glück - der letzte Heller ist tatsächlich eine Gaststätte. Unter einem großen Baum nehmen wir Platz, und ich frage drinnen nach, ob man hier ein „Bier kippen“ könne, was zur allgemeinen Erheiterung führt. Andy trinkt ein Pils und einen Spezi, ich ein Kristallweizen. Aufgrund unseres „Dialektes“ werden wir von der Bedienung sofort als Norddeutsche „enttarnt“. Obwohl dieses Plätzchen zum längeren Verweilen einlädt, müssen wir uns 19:45 Uhr dem Schicksal des Radwanderers ergeben und schwingen uns auf die Sättel. Da wir uns jetzt auf der Talsole befinden, kann es eigentlich nur wieder bergauf gehen. Durch Lippoldshausen hindurch kommen wir schließlich auf einem viehisch ansteigenden Hohlweg steil aufwärts in das Brackenberger Holz. Um uns herum steile Hänge, alles völlig ungeeignet zum Zelten. Der offenbar unmittelbar bevorstehende Regen läßt mich das Rad erbarmungslos weiterwuchten; in wenigen Minuten ist man schweißgebadet. Dieser brutale abendliche Aufstieg hat zum Glück des heutigen Tages noch gefehlt. Nach dem Anstieg - Andy ist noch einige Minuten zurück - wird das Gelände gottlob eben, aber der erwartete Regen setzt wieder ein. Nach einigen Fehlschlägen finden wir gegen 20:30 Uhr eine Stelle ähnlich der gestrigen: lichter Laubwald mit klatschnassem, laubbedeckten und pflanzendurchsetzten Boden. Erstmalig läuft zu allem Überfluß meine Nase, und vom ewigen Ausschnupfen in mittlerweile zwei durchtränkte Taschentücher wird der Zeltaufbau bis 21:15 Uhr in die Länge gezogen. Seltsamerweise ist der Zeltboden im Gegensatz zu heute morgen trotz der Trocknungsversuche vorhin mit Wassertröpfchen bedeckt, so daß zum Schutze der Sammelsurien die ebenfalls klamme Regenjacke ausgebreitet werden muß. Zum x-ten Male sammle ich kleine Zecken von meinen Beinen, und auf dem T-Shirt sitzt ein Geschöpf in der Art eines Blutegels; wie dieses Tier unbemerkt unter mein Hemd gelangen konnte, ist mir ein Rätsel. Die Tierbeschau geht weiter, als ich mein T-Shirt ausziehe: auch hier sitzen kleine Zecken, diesmal in Aktion und nur mit der Pinzette entfernbar. Ich will diesen besch... Tage wenigstens angenehm beenden und esse noch den ewig mitgeschleppten Apfelmus auf. Obwohl die Daten wenig Freude aufkommen lassen, werden eisern die Fahrdaten vom Cyclomaster abgelesen und notiert:


Fahrstrecke 30,1 km

Nettofahrzeit 4:28 Std.

Geschwindigkeit 8,0 km/h

Gesamtstrecke 144 km


Donnerstag, 4.Tag

Für mich war die Nacht nicht sehr erholsam: Zwischen 01:00 Uhr und 03:00 Uhr raschelte es um die Zelte herum, und die in der Nacht sehr empfindlichen Ohren interpretierten jedes Scharren als Schritt. 05:00 Uhr morgens werden wir beide von lautem Geröhre geweckt, vermutlich von einem Hirsch. Entsprechend der Qualität der Nachtruhe kommen erste Aufsteh-Ambitionen erst um 08:45 Uhr auf. Die Wettervorhersage ist eine einzige Katastrophe, eigentlich sollte man gleich im Zelt liegenbleiben, aber um 10:00 Uhr wird aufgesattelt. Nicht mehr in der Lage, den gestern vom Forstweg aus zurückgelegten Pfad zurückzuverfolgen, lande ich mit dem Rad in dichtem Gras und Gebüsch, das fängt ja gut an! Nach dieser anfänglichen Verzögerung passieren wir einige Minuten später eine akzeptable Baude, und etwas weiter bei km 3,2 liegt der Grillplatz von Atzenhausen: flachgeschnittener, ebener „englischer“ Rasen, Grillroste und Unterstandshäuschen. Diesen für eine Übernachtung bestens geeigneten Platz hätten wir bestimmt gestern Abend mit großer Freude angesteuert, aber in der Karte war natürlich nichts eingezeichnet. Schade! In Atzenhausen telefoniert Andy mit Niendorf, wobei leider nichts Gutes berichtet werden kann. Unsere Laune ist so schlecht, daß sogar von vorzeitiger Abholung die Rede ist und ein weiteres Telefongespräch gegen 14:00 Uhr zwecks endgültiger Klärung ausgemacht wird. Das Brotmuseum Berlepsch-Ellerode wird bei einsetzendem leichten Regen um 11:10 Uhr erreicht. Obwohl uns nicht so recht klar ist, was unter einem Brotmuseum zu verstehen ist, tummeln sich hier doch einige interessierte Besucher. Da uns ein schnelles Vorankommen mittlerweile relativ egal ist, nehmen wir in der kleinen dem Museum angeschlossenen Gaststube Platz, trinken Kaffee (Andy außerdem ein Bier) und essen ein Apfellaibchen (gebackener Apfel in Brotteig). 11:50 Uhr nehmen wir wieder Fahrt auf, der Regen ist vorbei. Das Schloß Berlepsch wird, da etwas abseits vom Wege, entgegen der Empfehlung im Führer nicht besucht. Mitten im Wald am Weißen Bach wird die Landesgrenze Niedersachen-Hessen um 12:30 Uhr passiert. Durch den Witzenhäuser Interessentenwald geht es langsam wieder abwärts zur nächsten größeren Stadt, Witzenhausen (13:00 Uhr). Um nicht wie gestern sämtliche Gelegenheiten ungenutzt vorüberziehen zu lassen, besorgen wir uns in einer Art Schnellrestaurant - etwas voreilig - je zwei Hähnchenburger á DM 4,--, die auf einer Bank auf dem großen Marktplatz verzehrt werden (sollen). Die mit Curry gewürzten Gummibrötchen-Burger mit Fetthähncheneinlage erweisen sich allerdings als mehr oder weniger ungenießbar, so daß Andy ein komplettes Exemplar unbesehen in den nächsten Mülleimer verfrachtet, die großen Colas erledigen den Rest. 14:00 Uhr wird beim Aufbruch das angekündigte weitere Telefonat mit Niendorf abgehalten, wobei wir uns allerdings mittlerweile mit unserem Schicksal abgefunden haben und (natürlich) doch weiterfahren wollen. An einer Tankstelle besorgt Andy noch ein Getränk und am Ortsausgang verlieren wie gewöhnlich die Markierung. Nach Interpretation des Führers geht es zunächst einen Km nach rechts, bis es zu bunt wird und wir von der Straße nach links auf einen Wanderweg einbiegen. Während ich mich lieber weiter rechts orientieren würden, beharrt Andy auf einer Linkswendung, und das gesamte an der Straße zurückgelegte Stück wird auf dem Wanderweg wieder zurückgefahren, natürlich wieder bergab. Hier finden wir dann aber eine Wegmarkierung wieder und bergauf geht's zum Sulzberg (299m) durch endlose Obstplantagen (in der Gegend von Witzenhausen stehen ca. 15000 Kirschbäume!). Nach unseren bisherigen Erfahrungen mit „Abkürzungen“ weiß ich wirklich nicht, warum wir erneut glauben, durch Auslassen des sehr umständlich erscheinenden Schlenkers über die Jugendburg Ludwigstein Zeit und Nerven sparen zu können... natürlich tritt wie (fast) immer bei solchen Aktionen das genaue Gegenteil ein. Durch Verlieren des Weges kommen wir ungewollt nach Wendershausen in den Talgrund hinab (16:00 Uhr). Hier wird - es nieselt wieder einmal - bei einem EDEKA-Höker der Getränkevorrat ergänzt (u.a. ein Bier für abends), außerdem besorge ich - nun allerdings schon fast nicht mehr notwendig - eine Bürste zur Reinigung der Packtaschen und Ausrüstungsstücke. Dem Ab- folgt der Aufstieg; in Richtung Rückerode geht es einen Taleinschnitt Richtung Südwesten wieder hinauf. Laut Karte müßten wir den Europawanderweg weit oberhalb des Schlenkers zur Burg Ludwigstein wieder erreichen. Der Regen ist wieder vorbei, es herrscht jedoch eine schwüle Wärme. Nach 3 km quälendem Straßenanstieg und kurzer Pause am Alten Gericht werden am Vollungsattel div. Hinweisschilder gesichtet, die wichtige Übersichtskarte rechts der Straße meinen wir aber aus irgendwelchen Gründen nicht betrachten zu müssen. Ohne weiter nachzudenken, fahren wir also nach links in den Wald hinein, immer herrlich schnell bergab. Bei den nächsten Schildern um 17:05 Uhr erkennen wir aber, daß wir leider in die falsche Richtung - zur Jugendburg hin - gefahren sind, also genau den Weg, den wir uns doch ersparen wollten! Nur erneute Streckenimprovisationen können uns jetzt noch vor weiterem Schwachsinn bewahren: unser nächstes Ziel heißt jetzt Oberrieden an der Werra; wir haben die Schnauze voll und wollen von dort das letzte Stück bis Bad Sooden auf dem Radweg an der Bundesstraße bewältigen. Doch leider finden wir in Karte und Beschilderung wenig Unterstützung für unser Ansinnen; der Weg endet plötzlich im Nichts. Uns beiden scheint nun ein größerer Wutanfall unmittelbar bevorzustehen. Ich steige vom Rad und schiebe es wahllos über eine eingezäunte Wiese mit Obstbäumen, nur um nicht stehenzubleiben oder umkehren zu müssen. Andy hat keine Lust mehr und wartet erst mal. Und tatsächlich, am Ende der Wiese, nach Übersteigen eines Stacheldrahtzaunes geht der Weg mit Schildern bzw. Kreuzen weiter. Schlimmer wird's wohl nicht!!! Irgendwann schließlich endlich in Oberrieden eintreffend, ereilt uns der nächste Nackenhieb: An der Bundesstraße B 27 gibt es keinen Radweg. Wir halten uns erst gar nicht damit auf, uns zu ärgern. Die gesamten letzten Stunden waren völlig umsonst, haben lediglich unsere Kräfte verschlissen. Ohne Pause geht es wieder die Berge hinauf, Richtung Hilgershausen (dieser Ort liegt kurz hinter dem Vollungsattel, siehe oben...). Hier telefoniere ich mit Tina. In einem Bushäuschen sitzen wir wie die Deppen bis 19:10 Uhr herum, aus lauter Frust lehre ich jetzt schon meine Bierdose. Hinter Hilgershausen geht es zunächst noch kurz bergan, dann aber um so rasender mit bis zu 57 km/h abwärts nach Bad Sooden-Allendorf, welches halb acht, also wie üblich viel zu spät, erreicht wird. Es treibt uns nun nichts mehr, außer das Ansinnen, etwas Vernünftiges zu essen und zu trinken. In der Nähe des Kreuzes wird in der Klosterschänke Einkehr gehalten: Spiegeleier mit Gemüse und große, anschließend kleine Biere. Bislang haben wir Glück, trotz bedecktem Himmel kein Tropfen von oben. 20:30 Uhr brechen wir auf - wie immer viel zu spät, es muß schon kaum noch wiederholt werden. Bei langsam zunehmenden Regen geht es meist schiebend permanent bergauf Richtung Hörne (522m), nach alpinen Maßstäben eigentlich eher ein Hügel. Auf halber Höhe wird das Schloß Rothestein passiert; ab hier werden die Wege abenteuerlich und unsere Stimmung ebenso. Der Regen wird immer beherrschender; aber Andy zieht erst sehr spät den Anorak an. Den ersten möglichen Zeltplatz lassen wir aus unerfindlichen Gründen rechts liegen, hier geht der Weg steil nach links hinauf. Allmählich wird es ziemlich dunkel. Über lehmige Anstiege werden die Räder hochgestemmt. Da ich diesmal keine Rad-Beleuchtung mitgenommen habe, wird die kleine Taschenlampe zwischen den Zähnen oder in einer Hand gehalten und funzelt schwächlich durch den nächtlichen Wald. Plötzlich gibt es von oben kein Halten mehr, und es schüttet wie aus Kübeln auf uns hinab!!! An einer einigermaßen geeigneten Stelle will Andy partout die Zelte aufschlagen; angesichts der Heftigkeit des Regens verspüre ich jedoch keinerlei Neigung, hier eine halbe Stunde herumzuwurschteln und treibe zur Weiter„fahrt“, all meine Hoffnung auf die im Führer erwähnte Schutzhütte setzend. Immer steiler geht es diesen verdammten Berg hinauf. Alles ist in kürzester Zeit durchnäßt, bald auch die Schuhe. Hilflos unter einem riesigen Baum nicht vorhandenen Schutz suchend, stehen wir den Elementen völlig hilflos ausgesetzt in diesem Hexenkessel herum. Andy zieht noch seinen Poncho an, ich verzichte angesichts der Erfahrungen des ersten Tages hierauf. Die Lichtstrahlen unserer Lampen geistern durch dieses nächtliche Inferno. Wir peitschen uns weiter, der Gipfel will und will nicht näher kommen. Plötzlich scheint der Weg schon wieder hinab zu gehen, von einer Schutzhütte keine Spur. Vor Wut schmeiße ich mein Rad hin, suche in der regendurchtränkten Dunkelheit nach dem Holzhäuschen, trete hierbei in eine Pfütze und mein rechter Schuh ist jetzt endgültig durch. Gott sei Dank, hier ist tatsächlich eine Hütte! Schnell, schnell die Räder hinein, unsere letzte Chance! Die Hütte ist ziemlich klein und zugig, ohne Tür und mit riesigen Fensteröffnungen; das Wasser läuft schon zur Türe herein, und die Räder stehen im Wege. Andy's Außenzelt wird auf dem Boden ausgebreitet. Ich ziehe meine letzten trockenen Sachen an und stopfe die nassen Schuhe mit Toilettenpapier aus. Nichts wie rein in den Schlafsack! Andy's letztes Bier wird gemeinschaftlich vernichtet. Das sind wohl jetzt die „ergiebigen Regenfälle“ aus dem Wetterbericht. Man mag kaum an den Morgen denken, an die ekelhaft klatschnassen Klamotten.


Fahrstrecke 60,4 km

Nettofahrzeit 6:49 Std.

Geschwindigkeit 8,8 km/h

Gesamtstrecke 204 km



Freitag, 5.Tag

Nach einer für die widrigen Verhältnisse relativ erträglichen Nacht peitschen wir uns um 08:45 Uhr hoch; wir wissen ja nicht, was uns heute noch so an Überraschungen bevorsteht. Die klammen Sachen werden zusammengerafft. Meine Schuhe sind dank der „Ausstopfung“ wieder trocken. Es regnet jetzt nicht, aber die Feuchtigkeit der Nacht dunstet aus dem Wald aus. In der Rekordzeit von einer halben Stunde sind wir abmarschbereit. Ich habe fast sämtliche verfügbare Sachen übereinander angezogen. Da der Tourenführer von Kletterpassagen und schmalen, felsigen Fußpfaden berichtet, wird erneut eine Routenabänderung vorgenommen. Wir haben momentan wirklich keine Lust mehr auf Exzesse, gleich welcher Natur. „Frei Schnauze“ geht's über herrliche Waldwege mäßig auf- und ab weiter durch eine landschaftlich sehr interessante Gegend. Wir kommen etwas zu weit rechts aus dem Wald herunter. Von Mascherode führt ein mäßig ansteigendes Straßenstück nach Hitzelrode hinauf. Wir befinden uns in einer Art Talkessel; vor nicht allzu langer Zeit war diese Landschaft ja nicht nur geographisch, sondern auch noch politisch „eingekesselt“ - dementsprechend verschlafen und urig wirkt es hier auf uns. Hier in den niedrigeren Lagen ist es jetzt trocken, aber die Sonne scheint nur sekundenweise. An der Straßenschleife in Hitzelrode rasten wir von 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr. Kleidung wird zum Trocknen über eine Bank ausgebreitet. Der Versuch, im Dorfgemeindehaus nebenan einen Toilettenbesuch durchzuführen scheitert, da alles verschlossen ist. Eine rasante Abfahrt führt uns dann durch Neuerode und Grebendorf hinein nach Eschwege (12:00 Uhr). Eine große Leistung haben wir da heute wahrlich nicht vollbracht, aber es reicht nun auch erst mal wieder. In einer Fußgängerzone lassen wir uns zu einem kleinen Imbiß/Getränk nieder. Um 12:31 Uhr versuche ich erstmalig, mit dem Funktelefon der „Abholer“ Tina und Vati in Kontakt zu treten, was aber mißlingt. Mein nächster Versuch 12:45 Uhr scheitert ebenfalls: gerade wird das Telefon von einem Telekom-Techniker zerlegt! Da wir eigentlich beim Bahnhof oder einer Kirche verabredet und hier nicht besonders sichtbar postiert sind, machen wir uns zunächst ziellos auf den Weg. Ein Passant erklärt uns, daß es hier keinen Bahnhof gibt sondern nur einige Kilometer entfernt Eine herausragende Kirche ist eigentlich auch nirgends sichtbar. Immerhin sind wir auf der Straße, auf der die Abholer eigentlich in den Ort „einrollen“ müßten. Aus einer weiteren Telefonzelle kann nun endlich Verbindung mit dem Funktelefon hergestellt werden, jedoch nur für einige Sekunden (die 5 DM-Münze ist natürlich futsch...). Durch Zufall sehen wir dann schon Andy's Golf und ich renne wild gestikulierend auf die Straße. Da brauchten wir ja diesmal gar nicht lange warten! Ein Parkplatz in der Nähe wird angesteuert und die Räder verstaut. Nach dem Anziehen der von Tina mitgebrachten frischen Sachen fühle ich mich fast wie frisch gebadet. Auf dem Rückweg passieren wir desöfteren uns von den letzten Tagen gut bekannte Orte. Beim „letzten Heller“ (man erkennt uns sogar wieder) können wir leider zu dieser Uhrzeit nicht essen; auch in der nahegelegenen „Grundmühle“ gibt es leider nur Kuchen. Die weitere Rückfahrt verläuft völlig ohne Probleme und bereits jetzt bin ich mir fast sicher: Dies war vielleicht doch nicht die allerletzte Radtour...


Fahrstrecke 15,8 km

Nettofahrzeit 1:42 Std.

Geschwindigkeit 9,2 km/h

Gesamtstrecke 219,8 km



Notizen

Das Gesamtgewicht des Gepäcks bei der Abfahrt betrug ca. 19 kg.

Die Seitentaschen wogen je 5 kg, die Lenkertasche knapp 3 kg, Schlafsack und Zelt zusammen etwa 4½ kg und die Getränke 1½ kg.

Du bist Leser Nummer seit dem 26. April 1998

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