Radtour Mecklenburg-Vorpommern 16.-20.Mai 1993

Sonntag, 1.Tag - 16.Mai

Kurz vor 8 Uhr stehe ich auf, der Himmel ist blau und wolkenlos, die Temperatur beträgt um 9 Uhr etwa 13ºC. Letzte Vorbereitungen (Füllen der Wasserflaschen usw.) werden getroffen, dann Frühstück. Das gesamte Gepäck, d.h. hintere Taschen, Lenkertasche, Schlafsack, Zelt und Werkzeug wiegt insgesamt 22 kg, obwohl ich diesmal wirklich jedes nicht absolut notwendige Teil weggelassen habe! Dementsprechend verschwitzt fühle ich mich dann auch bereits nach dem Beladen des Wagens; mehrmaliges Rauf- und Runtergehen ist erforderlich. Kurz nach 9:15 Uhr erscheinen pünktlich Andy, Mutti und Vati sowie Tinas Eltern. Mein Rad wird aufgeladen. Um 9:45 Uhr fahren wir los. Da aufgrund der Räder nicht besonders schnell gefahren werden kann, kommen wir nur mäßig voran; um 12:00 Uhr machen wir hinter Plau eine Rast mit Picknick (um Plau herum wie immer schwierige Routenfindung mangels vernünftiger Beschilderung!). Wir stellen fest, daß wir genau hier in einigen Tagen mit dem Rad vorbeikommen werden! Um 12:45 Uhr brechen wir auf, da wir noch ein ganzes Stück vor uns haben. Wir sind erst nach 15:00 Uhr in Zingst, der ganze Ort ist vollkommen mit Touristen und schleichenden VW- Bussen verstopft, Umleitungen tun ein Übriges. Eine Tankstelle ist aber nicht zu finden. Da wir in diesem Rummel nicht aufbrechen wollen, fahren wir wieder ein kleines Stück aus dem Ort heraus auf einen Feldweg. Nach dem Abladen und Bepacken der Räder sowie einem letzten Imbiß kann es 16:15 Uhr endlich losgehen! Schon um 16:30 Uhr wird die "Hohe Düne" erreicht (hügelige Landschaft wie in St.Peter-Ording). Hinter Prerow (17:15 Uhr) fahren wir auf mahlsandigen Wegen ohne Orientierung durch herrlichen Wald, oft müssen wir allerdings auch schieben; das kennt man ja nun! Eben sichtet Andy einen Fuchs, der sofort in irrem Tempo über die Wiese flüchtet, offenbar hat er uns ebenfalls bemerkt. Um 17:35 Uhr erreichen wir eine Siebenfach-Kreuzung (die 1:100.000 Karte ist in dieser Beziehung leider nicht sehr genau). Folgende Angaben lesen wir ab: Weststrand 2,5km; Ahrenshoop 6,2km; Parkplatz "Drei Eichen" (auch im Führer erwähnt). Wir schlagen uns irgendwie durch den Wald, mal hier, mal da abbiegend, also mehr der Nase nach. Dabei stoßen wir auch auf eine sehr große Wiese, die in der Karte eingezeichnet ist. Um 18:05 Uhr halten wir bei lächerlichen 14,6 zurückgelegten Kilometern (immer noch weit vor Ahrenshoop!) eine Kurzrast an einem ausgesprochen schönen Strandstück ab. Der Wald geht in lichte Kiefernlandschaft über, es folgt ein Dünenstreifen, der in steilen Abbrüchen in den breiten Strand übergeht. Hier gefällt es mir fast noch besser als auf Rügen oder Usedom. Wir können der Verlockung nicht widerstehen und gehen sofort mit den Beinen ins Ostseewasser; für ein Ganzkörperbad ist es noch etwas kalt, und außerdem haben wir nicht so viel Zeit. Diese Stelle wollen wir uns aber unbedingt für zukünftige Ausflüge merken! Der Himmel ist immer noch blau und wolkenlos, die Temperatur ist äußerst angenehm zum Fahrradfahren. 18:25 Uhr brechen wir zur Weiterfahrt auf und begegnen erstmalig drei schwerst beladenen Bikern. Im Kiefernwald hinter dem Strand bewegen wir uns mühsam südwestwärts, oft müssen wir im hohen lockeren Sand absteigen. Auf einem Schutzdeich, der mit Betonplatten belegt ist, die mehr als Brocken bezeichnet werden müßten, kommen wir trotz Geholper ganz gut voran. Vor 19:00 Uhr erreichen wir dann Ahrenshoop, einen langgestreckten Ort mit auffällig vielen Gastlichkeiten, an denen wir jedoch aus Zeitgründen vorüberradeln. Am sogenannten "Hafen" auf der Boddenküstenseite machen wir eine kurze Fotorast, die Andy wie üblich auch zu einer schnellen Zigarette benutzt (Andy´s Feuerzeug ist bereits verschwunden). Um 19: 30 Uhr befinden wir uns auf der neuen "Seebrücke" in Wustrow, wo wir uns dann doch eine längere Pause genehmigen. Hier befindet sich ein verlockender gepflegter Würstchenpavillon, der von uns um zwei Lübzer Biere, zwei Knackwürste, ein Snickers und ein Feuerzeug erleichtert wird. Das fängt ja gesund an, denke ich beim Schlürfen des Bieres laut vor mich hin. Um 20:00 Uhr gehts in guter Laune weiter: Wir müssen lt. Karte noch mindestens 10 km vorankommen, um ein "übernachtungswürdiges" Gebiet zu erreichen. Vor der Abfahrt werden schnell zwei weitere Lübzer besorgt, um den ersten Abend "sachgerecht" zu gestalten. Allmählich könnte auch die Daunenweste übergezogen werden, es wird jetzt etwas frischer. Ein großes Windrad, welches wir auch auf der Hinfahrt aus dem Auto gesehen haben, dreht sich jetzt nur noch im Schneckentempo. Um 20:30 Uhr sind wir nach einer rauschenden Passage auf dem Deich (teilweise bis zu 33 km/h), nur unterbrochen für ein Foto für die Leuchtturmsammlung, unbemerkt nach Dierhagen gelangt. Hier ist wieder ein phantastischer weiter Strand, und wir wollen für ein paar Fotos abwarten, wie der Sonnenglutball im Wasser verschwindet (das erinnert mich an Fuerteventura!). Wir kommen jetzt sowieso nicht mehr weit und liegen hinter unserem am grünen Tisch geplanten Tagessoll illusorisch weit zurück - wir sind heute nachmittag einfach zu spät losgekommen. Den endgültigen Sonnenuntergang warten wir dann aber lieber doch nicht mehr ganz ab, denn es wird zu schnell dunkel. Wir peilen einen Schlafplatz am äußersten Rand der östlichen Rostocker Heide an. Bei mir befinden sich an beiden Beinen seltsame rote Quaddeln in der Art von Feuermalen. 20:50 Uhr Aufbruch zum heutigen letzten Abschnitt. An einer Wiese, wo stellenweise weiße Nebelschwaden dicht über dem Boden wabern, werden letzte Fotos gemacht, wobei mein Bike erstmalig umkippt und sich die Kette irgendwie in der Schaltung verhakt. Wir biegen nun in einen Weg ein, der sich nach rechts von der Hauptstraße entfernt und ziemlich schnell erfolgversprechend in den Wald hineinführt. Um 21:20 Uhr passiert das Unfaßbare: Nach mehrsekündigem Knacken und Knirschen in der hinteren Schaltung reißt die Kette auseinander und fällt in den Sand. Ich kann es nicht fassen, noch weniger Andy, der das Spektakel aus einigen Metern Entfernung mitbekommt und das Ganze wohl zunächst für einen üblen Scherz meinerseits hält. Das gibt es doch wohl gar nicht! So etwas habe ich in meiner über 15jährigen "Laufbahn" mit Rennrädern und Mountainbikes noch nie erlebt. Die Belastung in dem tiefen Sand war wohl doch irgendwie zu groß, oder habe ich nach der Kettenreinigungsarie zu Hause die Kette nicht wieder exakt zusammengefügt??? Die Stimmung sinkt sofort auf den absoluten Nullpunkt! Die gesamte Tour scheint gefährdet, und zu allem Überfluß muß ich Andy auch noch sagen, daß ich den Nietendrücker diesmal nicht mitgenommen habe; letztes Jahr hatte ich ihn nach meiner Auffassung sinnlos mitgeschleppt. Wenn wir hier in Mecklenburg-Vorpommern überhaupt einen Fahrradladen mit Werkzeugauswahl finden sollten, dann frühestens morgen im ca. 11 km entfernten Riebnitz-Dammgarten. Das sind ja schöne Aussichten für morgen früh! Der Gedanke an den nächsten Morgen läßt mich erschaudern: Mindestens ein paar Stunden Rad schieben, ohne sichere Aussicht auf Reparaturmöglichkeiten im nächsten Ort. Echt verzweifelt schieben wir unsere Räder weiter, um nun möglichst schnell erst mal einen Lagerplatz zu finden. Die nun völlig versandete Kette schlinge ich um das Oberrohr des Rahmens. Schon um 21:45 Uhr finden wir einen annehmbaren Platz östlich des "Großen Moores" und beginnen völlig frustriert mit dem Zeltaufbau. Andy flucht wie wild über die idiotische Fjällräven-Zeltkonstruktion; währenddessen leeren wir unsere Lübzer und empfinden dies nun als angenehme Vernebelung in dieser beknackten Situation. Ohne den Gedanken an die zerrissene Kette aus meinem Kopf vertreiben zu können, schlafe ich erst nach endlosen Stunden ein. Die Fahrdaten für den ersten Tag:

Zurückgelegte Distanz: 39,6 km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 13,1 km/h
Nettofahrzeit: 3:00.


Montag, 2.Tag - 17.Mai

7:30 Uhr, die Sonne steigt empor. Die Nacht war eine einzige Qual; ich habe kaum geschlafen und dauernd irgendwelchen Quatsch geträumt (u.a. von der gerissenen Kette). Teilweise, gegen Morgen, habe ich sogar ein bißchen gefroren. Hier wimmelt es jetzt von Mücken. Bei Licht besehen ist diese Stelle, die wir gestern in unserer Not aufgesucht haben, sogar ganz gut. Nach dem Lagerabbau versuchen wir uns noch an der Kette, verschwenden damit aber nur unsere Zeit. Die noch im Kettenglied befindliche Niete können wir zwar herausbekommen (zwischendurch müssen wir sie minutenlang im tiefen Gras suchen), aber ein Zusammensetzen der Kette scheitert an geeignetem Werkzeug - eine Kette kann wirklich nicht provisorisch repariert werden! Um 9:10 Uhr brechen wir schiebend auf, mittlerweile ganz gut von den Mücken zugerichtet. Kurz darauf sind wir wieder an einer uns bekannten Kreuzung, wo ein einsames Haus steht und Straßenbauarbeiter werkeln. Meine scherzhaft gemeinte Frage, ob wohl nicht zufällig jemand einen Nietendrücker dabei hat, wird natürlich verneint. Nach kurzer Orientierung mit Karte und Wegweiser setzen wir unseren Weg durch sandige Waldwege fort - glücklicherweise ist die Straße nach Riebnitz nicht allzuweit entfernt. Auf der Straße halte ich mich an Andy´s Schulter fest, während er schwer in die Pedalen tritt - so kommen wir erstaunlich schnell voran, obwohl wir natürlich zwischendurch immer wieder schieben müssen. In Körkwitz kurz vor Riebnitz starte ich noch einmal einen Versuch und frage ein Ehepaar, ob ein Fahrradladen in der näheren Umgebung bzw. Werkzeug im Hause ist. Letzteres wird verneint, jedoch soll es wohl ein Geschäft in Riebnitz geben oder zumindest gegeben haben; sicher sind sich die beiden allerdings nicht. Wenig ermutigt setzen wir unseren Weg fort und gelangen bald auf einer wenig erbaulichen, von Plattenbauten gesäumten Straße nach Riebnitz-Damgarten, Ortsteil Riebnitz (10:15 Uhr). Da uns trotz unserer Situation diese Straße schwer auf den Geist geht und es hier nicht nach Geschäften aussieht, gehen wir an den Boddenwanderweg und schieben dort Richtung Zentrum weiter, immer die Kirche im Blick, und gelangen schnell in die Innenstadt. Die nächsten Jugendlichen frage ich nach einem Fahrradgeschäft, welches Andy auch findet - dort werden allerdings nur fertige Fahrräder, Mofas und dergleichen verscherbelt. Schwere Enttäuschung! Weiter Richtung Kirche gehend sehen wir dann ein "Fahrrad- & Nähmaschinenladen". Das Schaufenster ist sehr vielversprechend mit professionellen Teilen ausgestattet - und tatsächlich! Für lächerliche DM 5,90 erhalte ich einen Nietendrücker, der sogar zusammenlegbar ist und somit bestimmt auf jeder zukünftigen Tour mitgenommen wird! Die Tour ist gerettet! Damit die total versandete Kette meine Zahnkränze nicht völlig zerschmirgelt, kaufe ich gleich noch eine althergebrachte Flasche Universalöl. An einer Seite der großen Kirche machen wir uns auf einem Rasenstück sofort an die Reparatur, die auch noch einige Nerven kostet: Der Dorn des Nietendrückers ist unzureichend befestigt und fällt ins Gras, wo er nur durch Zufall von Andy wiederaufgefunden werden kann. Nach durchgeführter Reparatur und Wiederanbauen der rechten Packtasche verschwindet noch einmal der Dorn, diesmal kann er allerdings trotz regelrechten Abgrasens von mehreren Quadratmetern nicht wiederaufgefunden werden. Da ich ohne Nietendrücker die Tour auf keinen Fall fortsetzen will, bitte ich Andy, noch einmal zu dem Geschäft zu gehen und einen Ersatzdorn zu holen - den gibt es allerdings nicht, stattdessen einen kompletten neuen Nietendrücker. 11:30 Uhr ist das Wunder vollbracht, und alles ist wieder "reisefertig". In einem sehr gepflegten Imbiß gleich neben der Kirche ordern wir uns um 12:00 Uhr zur besten Mittagszeit zwei Gyros-Pitas (gefüllte Fladenbrote) und zwei halbe Biere, die wir am Wasser auf einer Banke sitzend genüßlich vertilgen. Der weitere Weg soll uns aus dem Ort hinaus nach Marlow führen (> 15 km). Das Wetter ist hervorragend - blauer Himmel, zur Zeit sengende Sonne, allerdings etwas südwestliche Winde. Es folgen quälende Straßenfahrten entlang an endlosen Rapsfeldern querab des Flüßchens Recknitz. Von 13:35 bis 13:45 Uhr machen wir eine kurze Rast in einem Bushäuschen hinter Allerstorf, ca. 5 km vor Marlow. Nebenan arbeitet ein Gärtner-Trupp, davon einer mit einer Art Motorsense unter ohrenbetäubender Lärmentwicklung. 13:55 Uhr erreichen wir Marlow. Das brandneue, saubere Toilettenhäuschen kommt mir wie gerufen - dummerweise ist es verschlossen, und auch eine Nachfrage im angeschlossenen Bürotrakt bringt nichts. Die ganze Stimmung hier erinnert uns etwas an Obermarsberg, teilweise merkwürdigerweise sogar ans Mallorquinische Capdepera (?). Überhaupt ist es hier bemerkenswert hügelig - eine Fahrradtour ohne Anstrengungen wird man wohl nur in Holland erleben können. Im ersten Wäldchen hinter Marlow muß ich dann einen Gebüschgang durchführen. Um 15:00 Uhr erreichen wir Bad Sülze, wo wir uns hinter der Kirche in den Schatten legen und die Karten studieren, weil die weitere Routenführung Richtung Verchen immer noch nicht ganz klar ist. Gegen 15:30 Uhr geht es weiter. 16:05 Uhr - man sieht bereits die Kirchen von Tribsees in nicht allzu weiter Ferne - biegen wir von der Hauptstraße nach links auf einen Feldweg ein, der eine starke Abkürzung verspricht. Der Weg endet jedoch auf dem Acker, und ein mit dem Trabbi heranfahrender Bauer warnt uns, daß es hier nicht weitergeht, weil hier die Trebel und ein alter Prahmgraben längsflößen. Die Kirchtürme von Tribsees sind bereits wenige Kilometer vor uns, trotzdem müssen wir notgedrungen den ganzen Weg bis zur Straße zurück, um ihr dann in weitem Bogen Richtung Tribsees zu folgen. Wir durchfahren den Ort jedoch nicht, sondern setzen uns um 16:35 Uhr beim Imbiß "Brummis Rast" an der Straßenabzweigung nach Dorow/Glewitz zu einer Pause nieder. Der Wind wird immer nerviger, die ewigen Straßenfahrten auch. Wir gönnen uns Sandwich-Eis und einen Becher Kaffee und füllen unsere Trinkflaschen mit teurem Mineralwasser auf. 17:00 Uhr brechen wir nach einem kleinen Klönschnack mit dem Imbißpersonal auf, es geht zunächst auf der Straße weiter. Um 17:45 Uhr wird kurz vor Dorow eine Foto- und Toilettenrast gehalten. Die erste Karte kann nun endlich weggelassen und durch die nächste (diesmal im Maßstab 1:50.000) ersetzt werden, da sie sich geringfügig überschneiden. Wir befinden uns jetzt entgegen der ursprünglichen Planung auf einem Weg weiter westlich Richtung Dargun; falls wir doch noch Richtung Demmin schwenken wollen, müssen wir eigentlich jetzt weiter ostwärts fahren; die Frage ist, wie wir von Dargun zum Kummerower See kommen: die Karte verzeichnet morastiges Gelände ohne Straßen sowie Flüsse ohne Übergänge. Die zurückliegenden Wege waren gut ausgebaut, aber nur wenig befahren, so daß trotz des Windes einigermaßen Fahrt gemacht wurde. Straßenschilder sind nur sehr sparsam aufgestellt. Die Landschaft wirkt ziemlich endlos und offen mit ihren riesigen, leuchtend gelben Rapsfeldern. 18:00 Uhr wird die Rast beendet. Uns fällt die für diese Uhrzeit ungewöhnlich stechende Sonne auf. Kurz vor Nehringen sichten wir in einem Kornfeld ein Reh; es verschwindet sehr schnell und ist auch im eiligst hervorgekramten Fernglas nicht wieder zu finden. 18:20 Uhr erreichen wir Nehringen. Hier befinden sich ein Schloß von 1720, Gutshäuser usw. Die durch den Ort führende Pflastersteinstraße ist gesäumt von uralten Bauernhäusern und hohen Bäumen; man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt. Da auf der Karte weit und breit keine Brücke über die Trebel eingezeichnet ist und wir damit ja schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht hatten, folgen wir dem Hinweisschild "Trebelbrücke", obwohl der Weg zunächst in die falsche Richtung führt. Um 18:35 Uhr stehen wir auf der Trebelbrücke, einer alten Holzklappbrücke an der ehemaligen Grenze Mecklenburg/Pommern (seit 1236). Auf der anderen Flußseite schwenken wir wieder ostwärts und fahren auf Feldwegen entlang. In dem Waldstück westlich vor Brudersdorf halten wir um 19:20 Uhr bereits erste Ausschau nach einem geeigneten Lagerplatz, obwohl die Mücken hier schwer aktiv sind. Wir finden auch gleich eine Stelle und beschließen kurzerhand, hier zu bleiben. Diesen Abend wollen wir nicht wieder im Streß beschließen. Wir machen uns Pfannengerichte (ich wähle die ziemlich scharfe Balkanpfanne) mit dem Esbitkocher warm; anschließend stopfe ich mir noch Skorpas mit Käse rein. Meine Wasservorräte gehen leider schon zur Neige, da ich mir den Luxus einer Minimalwäsche gönne. Anschließend werden umfangreiche Aufräumarbeiten durchgeführt, zu denen es gestern wegen des Desasters mit der Kette nicht gekommen ist. Schon 21:15 Uhr liege ich im Schlafsack und fertige letzte Notizen an. Draußen hört man den Wind rauschen. Folgende Daten werden vom Cyclomaster abgelesen:

Zurückgelegte Distanz: 66,2 km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 12,1 km/h
Nettofahrzeit: 5:27.


Dienstag, 3.Tag - 18.Mai

Um 7:30 Uhr beginne ich nach längerem Wachliegen gemächlich mit dem Zusammenpacken der Ausrüstung - je weniger draußen herumgewurstelt werden muß, desto besser (Mücken). Die Nacht war wiederum nicht optimal - bellende Hunde, Wind- und andere Geräusche machen einen irgendwie nervös. Teilweise waren Schritte und lautes Geraschel von offenbar größerem Getier zu vernehmen. Durch die Zeltwand kann das Wetter wie immer nicht bestimmt werden, aber das Öffnen der Reißverschlüsse bringt Aufschluß: Es geht ein gutes Lüftchen, der Himmel ist stahlblau. Gerade kommen die ersten Sonnenstrahlen über den niedrigen Bewuchs. Um 8:30 Uhr bereits brechen wir auf; wir wollen ungestört von Mücken und anderem Gezücht frühstücken. Nach kurzer Zeit erblicken wir am Ausgang des schönen Waldgebiets erneut einen Fuchs, den ich im ersten Augenblick zunächst für einen herrenlosen Dackel halte! Nach wenigen Augenblicken ist er verschwunden. Über recht angenehme Wiesen- und Waldwege erreichen wir den für hiesige Verhältnisse recht großen Ort Dargun etwa 5 km nördlich des Kummerower Sees. Halb zehn, also gerade zur besten Frühstückszeit, sitzen wir vor einem Café unter einem Sonnenschirm. Im "ersten Durchgang" genehmigen wir uns einen Becher Kaffee (selten auf solchen Touren!) und einige Kuchenstücke (Plunder, Quarkbällchen). Natürlich können wir nicht an uns halten und gehen mehrmals zum Bäcker hinein, um frische Brötchen nachzuholen, die wir mit unserer eigenen Marmelade bestrichen verschlingen. Auch ein zweiter Kaffee wird geordert. Nach der obligatorischen Getränkeversorgung, diesmal in einem Sparmarkt, verlassen wir gegen 10: 30 Uhr diesen Ort, der uns bestimmt in angenehmer Erinnerung bleiben wird. Wo gibt es schon noch Bäcker mit Tischen und Stühlen vor der Tür?? Die Sonne glüht mittlerweile dermaßen, daß wir Sonnenschutz aufgetragen müssen. Die bis zur letzten Sekunde unklare Route führt uns über Upost, das wir um 11:15 nach einer Pflasterstein-Gegenwind-Passage passieren (incl. sinnloser Pinkel-/Zigarettenpause). Hier sind wir allerdings mit unserem Latein am Ende - eine wie in Nehringen auftauchende nicht in der Karte verzeichnete Brücke wird uns hier wohl nicht erretten... Bereits eine viertel Stunde später im Naturpark Peenetal muß Andy einen dringenden Waldgang erledigen. Weitere Blicke in die Karte sowie eine Schautafel am Wegesrand machen uns jetzt die Konsequenzen unserer (nicht vorhandenen) Routenplanung endgültig klar: Wir müssen den gesamten Naturpark Peenetal nordostwärts durchqueren, um zum nächsten Übergang, vermutlich in Demmin, zu gelangen (die Karte wird hier von einer Legende verdeckt). Hierbei entfernen wir uns natürlich zunehmend von Verchen, dem Zwischenziel direkt am Kummerower See. Unsere Entscheidung am Vorabend, nicht über Demmin zu fahren, war also falsch gewesen. Dieser Umweg, der uns bei vorsichtiger Schätzung etwa 3 Stunden kostet, sowie das Kettendesaster am ersten Tag lassen vermuten, daß wir unseren Zielpunkt für den Donnerstag wohl etwas weiter nach Osten verschieben müssen; wir unken schon über eine Abholung am Plauer See... Wegen der ausgesprochen schönen Landschaft neben dem ziemlich breiten Peene-Fluß kann man das Ganze allerdings noch einigermaßen verkraften. Im Gegensatz zu den ersten beiden Tagen muß ich leider des öfteren mit dem Taschentuch hantieren (vermutlich Heuschnupfen), außerdem tränt das rechte Auge vom permanenten Gegenwind, begünstigt durch Sonnencremerückstände. Um 12:20 Uhr erreichen wir Demmin, und mir fällt erst jetzt auf, daß Tina und ich diesen Ort auf dem Hinweg (oder Rückweg?) nach Usedom durchquert und einige Fotos gemacht haben. Die imposante Kirche ist immer noch eingerüstet. Südlich der Peene müssen wir nun die ganze Strecke westwärts zurückfahren. Über Lindenfelde - Lindenhof - Schönfeld erreichen wir um 13:20 Uhr Verchen am Nordende des Kummerower Sees, das letzte Stück in sausendem Tempo mit Rückenwind. Das gegenüberliegende Südufer des Sees ist gerade noch zu erkennen. Wir rasten nahe einer Imbißbude an einem überdachten Picknicktisch, wie er für die vielen Seen hier typisch ist. Am liebsten würden wir uns gleich mitsamt der Räder ins Wasser begeben, aber für ein Badespaß ist die Zeit wie immer zu knapp. An der Bude werden diverse Getränke (Lübzer, Sprite) und Pommes etc. geordert. Weil das Frühstück schon ziemlich lang zurückliegt, müssen wir eine zweite Bestellung vornehmen, um unseren Durst und Hunger zu befriedigen. Etwa 14:20 Uhr brechen wir wieder auf, aufgrund der in der Hitze genossenen Biere kann nicht gerade von einer erhohlsamen Pause gesprochen werden. Diesmal kommt "zum Dank" der Wind eher stark aufbrisend von vorn. Hinter dem Ort geht´s in den Verchener Bergen in tiefsandigen Wegen meist schiebend viehisch bergauf und bergab, die stechende Sonne im Nacken. 14:50 Uhr passieren wir Gravelotte, ein in der Gegend bekanntes Ausflugsrestaurant am Seeufer, wo wir uns erneut eincremen - die Beine sind jedoch schon leicht verbrannt. Über Meesiger und Sommersdorf erreichen wir auf ätzenden Schlaglochstrecken bei glühender Sonnenglast um 15:45 Uhr Kummerow östlich der Südspitze des gleichnamigen Sees. Bei einer uralten, jetzt verwahrlost wirkenden Schule fahren wir zum Seeufer hinunter, wo einige Kinder baden. Mich hält jetzt auch nichts mehr; die Badehose ist schnell herausgesucht und angezogen. Das im ersten Augenblick noch recht kalt wirkende Wasser ist eine herrliche Erfrischung und Abkühlung. Eine Seifenwäsche kann hier allerdings wegen diverser Zuschauer nicht erfolgen. Nachdem ich wieder hinaus bin, geht auch Andy ins Wasser - wer weiß, wann sich hierzu die nächste Chance bietet? 16:30 Uhr, mittlerweise vom Wiederanziehen, Einpacken usw. bereits wieder kaum weniger verschwitzt als vor dem Bade, verlassen wir diesen Ort, zunächst noch dem See folgend über Wiesenwege. Über riesige, von uns "LPG-Äcker" getaufte Wiesen und Weiden erreichen wir zickzackfahrend um den "Generalkurs", um 17:00 Uhr den größeren Ort Malchin, allerdings nicht ganz ohne Hindernis. Der von uns gewählte Feldweg endet nämlich am verrosteten Werkstor einer Fabrik, das allerdings offen steht. Den ganzen Weg zurück haben wir wenig Lust, also fahren wir einfach auf das Werksgelände, wo wir auch ungesehen vorankommen - allerdings nur bis zum verschlossenen Haupteingang, der uns aber nach kurzer Belehrung über unser Fehlverhalten von einer freundlichen Pförtnerin geöffnet wird. Von Malchin aus rufe ich Tina an. Wir fahren schnell wieder aus dem Ort heraus, weil wir möglichst bald Anschluß an die "richtige" Route finden wollen; durch Zufall finden wir auch sofort den richtigen Weg. Malchin beeindruckt uns wenig und wird uns wohl nicht besonders im Gedächtnis haften bleiben. Mein rechtes Auge tränt immer noch permanent. Gegen 18:10 Uhr halten wir in dem Ort mit dem etwas merkwürdigen Namen Faulenrost eine kurze Rast an einer Weggabelung vor der Schänke "Peenekrug". In dieser Kneipe besorge ich eine 1½-Liter-Flasche Sprite zum Preise von DM 4,20 (angeblich die Mindest-Abgabemenge). Trotz der Menge ist die Flasche schnell geleert und wird von mir wieder in der Schänke abgegeben. Dort wundert man sich in der fälschlichen Annahme, ich sei allein unterwegs, über meine Trinkgeschwindigkeit! So, wir müssen jetzt in der erträglicher werdenden Sonne noch ein gutes Stück schaffen, denn Übernachtungswälder sind hier verhältnismäßig wenig bzw. zu weit ab von der Streckenführung. Nach kurzer Diskussion überzeugt Andy mich, einen Schlenker über Hungerstorf zu fahren; wir wollen ja schließlich nicht nur an uninteressanten Hauptwegen unsere Strecke abreißen! Über stille Wege gelangen wir bei immer noch kräftig strahlender Abendsonne um 19:45 Uhr nach Waren am Müritz-See, wobei wir eine mögliche Übernachtungsstelle hinter uns gelassen haben; es ist jetzt auch noch zu hell und zum Schlafen zu früh. Die nun zuständige Kreiskarte ist leider wieder im Maßstab 1:100.000 gehalten. Im Ort halten wir Ausschau nach einer kleinen Imbiß-Gelegenheit und werden zu dieser fortgeschrittenen Uhrzeit (20:10 Uhr) tatsächlich noch bei einem "Straßencafé" fündig. Eigentlich sollte hier schon um 20:00 Uhr dichtgemacht werden, aber ganz im Gegensatz zu im Osten leider des öfteren gemachten Erfahrungen können wir noch zwei Biere ordern (zwar keine Lübzer, aber immerhin Rostocker). Die freundliche, unüberhörbar sächselnde Bedienung erkennt aufgrund meines ständigen Taschentuchgebrauchs (die Augen tränen immer noch) sofort, daß ich Heuschnupfen habe und erzählt von ihrem Sohn, der deshalb von der "Armee" zurückgestellt wurde und auch noch kein rechtes Mittel gegen diese Krankheit gefunden hat. Kaum aufgebrochen, gibt es erneut einen Kurzstop an einer riesigen DEA-Tankstelle am Ortausgang. Irgendwie fühlen wir uns noch nicht optimal gerüstet und besorgen zwei Lübzer, Snickers, Mars und anderes. Außerdem nutzen wir die Gelegenheit, um ohne Anstrengung den Luftdruck unserer Reifen nachzuregulieren (mein Eindruck, auf halbplatten Reifen zu fahren, bestätigte sich nicht). Die Tankstelle ist erst die zweite größere, die mir auf der ganzen Tour aufgefallen ist; sie scheint auch eine Attraktion für die "Dorfjugend" zu sein: mehrere Schlitten, Mopeds usw. samt Insassen stehen hier herum. Mich drängt es, diese manirierte Rast schnellstens zu beenden. Kurz hinter der Tankstelle gehts in den Wald hinein, und bald sichten wir unser erstes Reh für heute. Beim Anhalten wird man umgehend von Mücken- schwärmen befallen - wir befinden uns hier allerdings in unmittelbarer Nähe des Kölpinsees sozusagen im Stadtwald von Waren. Da wir entweder hier campieren oder noch ein erhebliches Stück fahren müssen, biegen wir auf den erstbesten Querweg ein und schwenken dann wieder auf einen Parallelweg. Laut Führer müßten hier einige Gebäude in unmittelbarer Nähe sein, doch das soll uns jetzt nicht mehr kratzen. Um 21:15 Uhr beziehen wir Lager direkt neben dem Weg; um das Licht besser auszunutzen, wird diesmal das Zelt vor dem Essen aufgebaut. Nach dem Essen führe ich noch einen gemütlichen Spatengang und eine anschließende Kurzwäsche durch. Auch eine "Zeckenschau" mit der Taschenlampe erscheint uns ratsam. Am heutigen dritten Tag haben wir offensichtlich wieder zu alter Form zurückgefunden; es bestätigt sich die schon auf früheren Touren ermittelte Leistungskurve, die allerdings gegen Ende der Tour (d.h. morgen, spätestens übermorgen) wieder abfallen wird. Betrachtet man diesen Gesichtspunkt, so sind längere Touren sicherlich ergiebiger! Meine Notizen beschließe ich für heute kurz vor 23:00 Uhr.

Zurückgelegte Distanz: 107,1 km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 14,4 km/h
Nettofahrzeit: 7:23.


Mittwoch, 4.Tag - 19.Mai

Nachdem ich bereits wie üblich gegen 5:20 Uhr aufgewacht bin, entschließe ich mich jetzt - 7:30 Uhr - nach quälenden Wiedereinschlafversuchen zum Aufstehen. Im Zelt ist es bereits jetzt unerträglich warm. 8:50 Uhr bin ich nach Zeltabbau, Gesichtserfrischung mit Restwasser, Skorpas & Käse abmarschbereit. Die Sonne sticht, aber meist geht noch eine erfrischende Brise. Um 9:05 Uhr, nach den Nachrichten, brechen wir endlich auf. 150 Meter querab unserer Übernachtungsstelle sehen wir jetzt in der Helligkeit das Kinderkrankenhaus Schwenzin, auch eine Gärtnerei soll in nächster Nähe sein. In Deutschland ist es offensichtlich nicht mehr möglich, sich mehr als einige hundert Meter von der Zivilisation zu entfernen! 9:40 Uhr erreichen wir Damerow mit dem Abzweig zum Wisentgehege. Hinter uns liegen Sandwege, die wie üblich nur sehr mühselig zu bewältigen waren. Die Hitze ist trotz ab und zu auffächelnden Lüftchen kaum mehr zu ertragen, die frisch angezogenen Kleidungsstücke sind praktisch durchgeschwitzt. Das kann eigentlich nur noch in einem deftigen Gewitter enden! Im Radio war von 26ºC die Rede. Um 10:00 Uhr halten wir in Jabel Frühstücksrast vor einem urigen kleinen ehemaligen Konsum- Lebensmittelmarkt (jetzt "Landmarkt Jabel") ab. Die Leute haben hier noch Sinn für´s Praktische: Vor dem Geschäft steht ein Tisch mit mehreren Stühlen, den wir sofort in Beschlag nehmen, nachdem wir den Konsum um einige Kleinigkeiten erleichtert haben (gekühlte Milch ist merkwürdigerweise nicht zu haben). Während unserer Jause kommen diverse Ausflugsradler hier vorbei. Nach einer guten dreiviertel Stunde hat uns der Sattel wieder, und direkt hinter dem Ort geht es wieder in den Wald hinein. Zeitweise parallel zur Bahnlinie fahrend geht es vorbei am Bilderbuchbahnhof Nossentin, wo wir uns beide ein Foto nicht verkneifen können, an Schrottplätzen vorbei hinein nach Malchow (11:40 Uhr). Um den beim Frühstück versäumten Kaffee nachzuholen, begeben wir uns in ein etwas ungemütliches Stehcafé, wo ich vorsorglich gleich für jeden zwei Becher ordere - was sich diesmal allerdings als Fehler erweist. Der heiße Kaffee kann in der Hitze kaum für Genuß sorgen. Unsere weitere Route zum nächsten Zwischenziel Bad Stühr am Südende des Plauer Sees ist jetzt wieder unklar; wir müssen früher oder später die Autobahn A 19 Richtung Westen über- oder unterqueren. Wir entschließen uns, direkt hinter Malchow noch nördlich des kleinen Petersdorfer Sees nach Westen an den Plauer See nach Lenz vorzustoßen, um dann am See weiter nach Süden zu fahren. Kurz vor der Autobahn, mitten an einem schönen Waldweg, stehen plötzlich vier völlig verwüstete abgestellte Trabbis am Fahrbahnrand. Man ist ja viel gewohnt, aber soviel Frechheit löst denn doch eine gewisse Bestürzung aus. Die Wagen sind zertrümmert, die Sitze und Reifen zerschlitzt, die Innenräume mit diversem Unrat völlig vollgestopft. Dieser Müllhaufen wird natürlich auf Dia festgehalten. Gegen 12:45 Uhr erreichen wir Lenz am Plauer See. Hier trinken wir etwas (1 Cola, 1 Lübzer) und füllen unsere Flaschen mit teurem Mineralwasser. Eine halbe Stunde später brechen wir zur Umrundung des Plauer Sees auf, das nächste markante Zwischenziel soll Bad Stuehr am Südzipfel des Sees sein. 14:05 Uhr erreichen wir Zislow über sandige Wanderwege, direkt am teilweise steilen Seeufer. Andy ist nicht begeistert von dem mückenverseuchten Uferweg, zumal dieser einen Umweg von ca. 3 km gegenüber dem Straßenstück darstellt, nichtsdestotrotz ist dieser urwaldartige Uferpfad (wie auch schon der Peenetalweg) ein sehr interessantes Wegstück! Bis Stuehr sollten es jetzt nur noch ca. 7 km sein, wir fahren jedoch, ohne je einen Hinweis auf diesen Ort gesehen zu haben, durch den Wald zu weit östlich direkt an die B 198. Obwohl hier schnelles Fahren möglich ist, war das natürlich nicht der Sinn der Sache. An einem Autorastplatz können wir den neuesten Fortschritt in Sachen Kunststoffverarbeitung bewundern: Die Tische und Bänke sind aus gepreßtem Altplastikteilen hergestellt. Eine Bank ist so miserabel verankert, daß sie sofort umkippt, als ich mich hinsetze. Es ist jetzt 14:45 Uhr, die Sonne sticht enorm, und wir sind ca. 10 km vor Plau. Da wir bereits das Ostufer des Sees ausgiebig erkundet haben, soll es jetzt zur Erholung ersteinmal auf der Bundesstraße weitergehen. Mangels günstiger Café-Gelegenheit können wir in Plau lediglich beim Getränkestützpunkt Nachschub fassen. Ich versuche noch, einen neuen Diafilm zu besorgen, weil der dritte bereits zur Neige geht, aber der winzige Fotoladen will mir für einen Agfafilm ohne Entwicklung doch tatsächlich DM 12,95 abknöpfen. Mit einem Hinweis auf die Hamburger Preisverhältnisse verlasse ich kopfschüttelnd dieses Geschäft. Wir verlassen den Ort schon um 16:15 Uhr, um ohne weitere Umschweife nach Karow zu kommen. Kurz darauf erweitert ein in Riesensprüngen übers Feld rasendes Reh die "Wildbilanz" dieser Tour. Um 16:32 Uhr passieren wir die Stelle, an der wir am Tag der "Hinbringung" unser kleines Picknick abgehalten haben, und um 16:55 Uhr wird eine weitere Zwischenrast am sog. Heidekrug abgehalten. Bei dem Restaurant steht zu unserer Freude ein Automat mit eisgekühlten Getränkedosen, und Gott sei Dank haben wir auch noch ausreichend Kleingeld! Es ist bereits 17:30 Uhr, als wir von der Bundesstraße abzweigen, um im Ort Karow noch etwas einzukaufen; morgen werden die Geschäfte ja geschlossen bleiben! Wir radeln ein ganzes Stück, u.a. entlang an Plattenbauten - uns fallen hier zum wiederholten Male die vor den Häusern herumliegenden Müll- bzw. Schrotthaufen auf - und erreichen noch rechtzeitig einen großen Supermarkt. Hier kommen wir wegen abwechselndem Einkaufen/Aufpassen und Verpacken der umfangreichen Versorgungseinkäufe erst nach 18:00 Uhr wieder weg. Wir haben immer noch nicht endgültig entschieden, ganz nach Krakow herauf zu fahren oder weiter südlich durch die Schwinzer Heide abzukürzen. Es geht also wieder auf der Straße weiter, und schon um 18:50 Uhr erreichen wir -an der möglichen Abzweigung vorbeifahrend- den Kurort Krakow am See. Hier finden wir überraschend direkt am See ein modernes griechisches Restaurant mit Terrasse, genau das Richtige für einen kleinen Abendimbiß. Hätten wir dieses Restaurant vorhin erahnen können, hätte ich mir beim Supermarkt keine Schokolade gegönnt und das Pfannengericht für Abends sparen können! Egal, wir sind jetzt relativ fertig und froh, heute nicht noch selbst für´s Essen sorgen zu müssen. Wir kippen natürlich erstmal ein Bier und gehen gepflegt aufs WC. Andy bestellt eine volle Mahlzeit (Calamares), ich "nur" Schafskäse mit Krautsalat. Zufrieden mit dem guten Essen brechen wir kurz vor acht auf; wir wollen noch kurz telefonieren und dann rasch in den Wald gelangen, um den letzten Lagerplatz dieser Tour zu suchen. Die erste Telefonzelle finden wir am Bahnhof - sie ist allerdings wegen mutwilliger Beschädigung außer Betrieb. Die nächste Zelle an einem Wohnblock ist zwar nicht offiziell außer Betrieb, gibt aber dennoch keinen Pips von sich. Jetzt werden wir langsam nervös, wir müssen schließlich noch die Details für die morgige Abholung klären! Bei der letzten Möglichkeit in Alt Sammit werden wir fündig und können in der goldenen Abendsonne mit Hamburg telefonieren. Aufgrund der Erfahrung mit den defekten Zellen spreche ich mit Tina sicherheitshalber schon Ort und Zeitpunkt für die Abholung ab, falls wir uns morgen nicht mehr verständigen können (Kirche in Crivitz, 16:00 Uhr). Gleich hinter dem Ort geht´s in ein riesiges Waldgebiet. Um 20:50 Uhr sehen wir direkt vor uns auf dem Weg wieder mal ein Reh, und Andy sichtet im Verlauf der Lagersuche noch mindestens 6 weitere! Etwa halb zehn finden wir querab des Weges einen Lagerplatz, der zwar völlig mückenverseucht, aber dafür relativ gut gegen unliebsame Überraschungen geschützt ist, da zwei Seiten durch dichte niedrige Schonungen und einen Zaun abgeschirmt sind. Da laut Karte die nächste Ortschaft unmittelbar vor uns liegt, nutzen wir diese Chance. Das übliche Gewühle geht diesmal ziemlich flott, da wir nicht mehr essen müssen und ein schnelles Verschwinden im Zelt wegen der Stecherei angezeigt ist. Um 22:20 Uhr - es ist immer noch erstaunlich warm - ist die "Zeltruhe" hergestellt.

Zurückgelegte Distanz: 90,9 km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 14,2 km/h
Nettofahrzeit: 6:23.


Donnerstag, 5.Tag - 20.Mai

07:40 Uhr. Von fünf bis sechs Uhr lag ich wie üblich wach, habe aber ansonsten erstmalig gut geschlafen und keine störenden Geräusche vernommen. Langsam beginnt wiedereinmal das Herumgepacke, diesmal fängt Andy an. Auch heute Sonnenschein! Mein Außenzelt ist jetzt zum ersten Male auf dieser Tour ein wenig feucht. Die Wettervorhersage verkündet Gewitterneigung für nachmittags, aber davon ist jetzt nichts zu merken - um 08:50 Uhr brechen wir in stechender Sonne auf. Schon um 09:10 Uhr passieren wir Jellen, bestehend aus nur wenigen Häuschen inmitten dichten Waldes, nur über Sandwege erreichbar. Der erste Vatertagspferdewagen begegnet uns wenig später. Den Ort Dobbertin streifen wir lediglich, machen aber einen kleinen Abstecher Richtung Zentrum, um endlich eine Frühstücksgelegenheit zu finden. Die einzige Bank liegt leider mitten in der brüllenden Sonne, aber immerhin plätschert hinter uns der Brunnen vor der Dorfsporthalle. Wir haben nunmehr 8,4 km zurückgelegt, und die Uhr zeigt 09:40 Uhr. Wir halten es hier nur bis 10:10 Uhr aus. Der weitere Weg führt uns zunächst nordostwärts nach Kläden; um heute nicht den ganzen Weg auf der Straße fahren zu müssen, wollen wir den in Andys Führer beschriebenen Schlenker um den "Schwarzen See" machen. Wir kommen zunächst auf der Straße sehr schnell voran und finden sogar den richtigen Abzweig von der Straße in den Wald zum Schwarzen See. Hier wird aber unsere Freude sofort von den Mückenschwärmen gedämpft, die uns jetzt permanent umgeben. Sobald die Geschwindigkeit gedrosselt wird, setzen sich bis zu zehn Mücken gleichzeitig auf den verschiedensten Körperpartien nieder. Der Weg in der ansonsten landschaftlich sehr schönen Gegend gerät so leider zur Tortur; hinzu kommt, daß wir mangels Schildern, ausführlicher Karteneinsicht und getäuscht von in der Karte nicht verzeichneten Nebenseen zu weit nach Süden abdriften. Schon verfluchen wir unsere Entscheidung, die uns am letzten Tage noch solche Strapazen bereitet. Nach endlosem Herumgekurve gelangen wir endlich doch wieder auf unsere Route. Über Klein Pritz - Kukuk geht es auf quälenden Sandwegen (dies ist eine Sandtour!) nach Dabel, laut Karte ein größerer Ort, der sich uns allerdings als eine Art Wildwestdorf mit Staub- und Pflastersteinstraßen präsentiert. Mehrmals treffen wir auf Pferdefuhrwerke mit jovialen Männergesellschaften, die einzige Kneipe ist allerdings verschlossen, und unsere Getränke sind verbraucht. Aus der nächsten Telefonzelle müssen wir unbedingt die Abholung zwischen 16 und 16:30 Uhr in Crivitz vereinbaren, sonst werden die Abholer (und wir) wohl langsam nervös werden. Zu allem Überfluß habe ich überhaupt kein Hartgeld mehr, und Andy kann lediglich ein 5-DM-Stück zücken. Unsere Kurzpause an der geschlossenen Dorfkneipe beenden wir um 12:10 Uhr und sind froh, kurz darauf tatsächlich eine Telefonzelle zu sichten. Die Freude ist allerdings nur von kurzer Dauer, denn beim Näherkommen entdecken wir das bekannte Schild "Wegen mutwilliger Beschädigung geschlossen". Ärgerlich über diese dämliche Randale fahren wir weiter - keine Getränke, kein Telefon, von Mücken zerstochen. Zu unserer freudigen Überraschung ist aber am Ortsausgang von Dabel doch noch eine geöffnete Schänke - der Gasthof "Waldeslust" mit Garten. Wenn sich hier gegenüber nicht ein Plattenwohnblock befinden würde, könnte man tatsächlich begeistert sein. Hier nehmen wir natürlich ohne zu überlegen sofort unter einem Sonnenschirm Platz; merkwürdigerweise sitzt sonst niemand hier draußen, dafür scheint aber drinnen um so mehr los zu sein. Nachdem wir mittlerweile einige Stunden nichts getrunken haben, kippen wir jetzt innerhalb kurzer Zeit jeder drei kleine Lübzer - das erste davon vernichte ich in einem Zug! Während wir unsere Biere genießen, passieren diverse mit jagdlichem Zweigwerk verzierte Autos, Motor- und Fahrräder die Kreuzung - der hier so genannte "Männertag" scheint hier noch richtig begangen zu werden! Die Bedienung kann uns leider auch nichts Positives bezüglich einer Telefonzelle mitteilen - die nächste soll ebenso wie die von uns gesichtete wegen Beschädigung außer Betrieb sein, wir werden also bis zum nächsten Ort warten müssen. Um 13:35 Uhr sichten wir in Demen die nächste Zelle - unglaublicherweise wiederum mutwillig zerstört. Was soll´s, dann müssen wir uns eben darauf verlassen, daß bei den gestrigen Telefonaten alles richtig angekommen ist. Etwa 500 m vor dem Andy bekannten Poggenhof rasten wir gegen 14:00 Uhr an einer Brücke am Flüßchen Warnow und werden prompt wieder von stark angeheiterten Vatertagsradlern eingeholt, die hier zwischen Demen und Barnin offenbar eine Rallye veranstalten. Sie sind des Fahrens allerdings kaum noch mächtig und eiern mehr oder weniger stark auf ihren meist uralten Fahrradgurken herum. Beim Versuch, sich in der Warnow etwas abzukühlen, landet einer gleich bis zum Hals im Wasser. Am Poggenhof holt uns noch ein Nachzügler ein, der mit dem Rad vor mir hinfällt und mich nach dem rechten Weg fragt. Nachdem ich ihm auch nicht sagen kann, wo seine Kumpels hingefahren sind, wirft er mir einen Beutel samt Pullover mit der Bemerkung zu, ich solle das dem Nachfolgenden geben. Wir liegen jetzt doch gut in der Zeit und brauchen uns nicht mehr sonderlich beeilen - einzig der Himmel macht uns etwas Sorgen: es sieht jetzt sehr gewittrig aus. 14:45 Uhr rasten wir ein letztes Mal auf dieser Tour bereits etwa 3 km vor Crivitz an einem Waldweg. Der Himmel ist fast vollständig mit Gewitterwolken dichtgezogen, und in nicht allzuweiter Entfernung grummelt es schon. Das wäre ein Ding, so kurz vor dem Ziel noch durchnäßt zu werden! In Crivitz angekommen, fahren wir auf der (erfolglosen) Suche nach einer Caféterrasse einige Runden durch den Ortskern und ein Stück am See entlang, bis wir um 15:20 Uhr auf dem Marktplatz nahe der Kirche die Tour beenden. In einem Hotel bekommt Andy zum Glück eine große Cola (1½Ltr für 5,- DM), die schnell geleert wird. Zu unserer Belustigung sehen wir hier auch wieder einige der besoffenen Männertagsfahrer herumkurven. Trotzdem hier alle 3 Sekunden ein Auto vorbeifährt, sinke ich in eine Art Dämmerschlaf auf einer Bank. Nach nicht allzulanger Zeit kommen pünktlich die "Abholer" - also Mutti, Vati, Opa und Tina mit den beiden Autos vorgefahren. Nach Begrüßung, Kurzberichten, Aufladen der Räder und Anziehen frischer Sachen fahren wir unseren letzten Tourenabschnitt noch einmal in umgekehrter Richtung mit dem Wagen zurück, können aber am Barniner See keine gute Picknickstelle entdecken - also wieder kehrt nach Crivitz. Direkt am See werden Kuchen und Kaffee genossen und erste Berichte abgegeben, auf der Rückfahrt essen wir in Zarrentin warm.

Die Fahrdaten für den letzten Tag:
Zurückgelegte Distanz:
58,4 km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 14,5 km/h
Nettofahrzeit: 4:00.


Durchschnittswerte für die ganze Tour:
Zurückgelegte Distanz:
362,2 km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 13,7 km/h


Du bist Leser Nummer seit dem 18. April 1998

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